Liebe im Spiel
sein, jetzt wo sie wusste, dass Melismate gerettet war.
Überraschend schlug sich Edward auf Selenas Seite. »Warum soll sie sich London nicht ansehen? Ru wird dort sein, um alles für die Innenrenovierung von Melismate zu organisieren und du weißt, welch eine strenge Wächterin sie ist.«
Rufa war die Seele der familiären Pflichten und erklärte sich einverstanden, mit Nancy und Selena nach London zurückzukehren. Tief innen gefiel ihr diese Aussicht jedoch nicht.
Edward war wirklich klug, überlegte Rufa. Vielleicht brauchte Selena die Erfahrung mit London, um sich wieder mit ihrer Umgebung auszusöhnen. Sie schämte sich für ihre Zögerlichkeit. Es war nicht fair, es Selena vorzuwerfen, dass sie sich unwohl fühlte, wo sie doch wusste, dass der wahre Grund für ihr Unbehagen Edward selbst war.
Hätte er sich über Nacht geändert, wäre Rufa alarmiert gewesen. Aber seine ungerührte Beständigkeit war gewiss ebenso alarmierend. Wenn sie allein waren, sprach er so liebevoll mit ihr, dass sie das Gefühl hatte, erschreckend abhängig von ihm zu werden.
Und doch forderte er keine Küsse oder Umarmungen. Er war, entschied sie, zu pedantisch um zuzulassen, dass sie Sex als Verpflichtung empfand. Er konnte es nicht ertragen, wenn jemand glaubte, es gäbe einen Austausch von Sex für Geld. Und verdrehterweise begann es Rufa, während er Distanz wahrte, zu beunruhigen, wie gut er aussah. Sie merkte, dass sie von dem aufmerksamen Glänzen seiner Augen unter den schwarzen Brauen wie hypnotisiert war. Sie wurde sich zunehmend großer Lücken in seiner Geschichte bewusst, die zu ergänzen er nie anbot.
Er sagte auch nicht mehr über seine Beziehung zu Prudence. Rufa bemühte sich, sich nicht allzu viele Gedanken darum zu machen, und fragte sich, warum sie sich solche Gedanken darum machte. Es wäre kaum realistisch gewesen zu erwarten, dass ein Mann wie Edward all diese Jahre ohne Sex gelebt hätte. Vielleicht, dachte sie, hatte die Geschichte mit Prudence die Tatsache nur unterstrichen, dass sie so wenig über ihn wusste. Er hatte sich der Familie in Melismate verschrieben, als hätte er kein anderes Leben. Aber es gab sehr wohl ein anderes Leben, das ein unerforschter Kontinent war. Und sie kämpfte schon seit dem Tod des großen Mannes gegen eine schreckliche, quälende Angst vor dem Unbekannten an.
Angenommen Edward hätte ihr die Ehe nur aus einer überspannten Treuezugehörigkeit zum großen Mann heraus angeboten? Er war fähig, so etwas zu tun. Vielleicht fiel ihm Ritterlichkeit leicht, weil er sie nicht begehrte. In diesem Falle – was, um alles in der Welt, könnte sie ihm im Austausch für all das geben? Schlimmstenfalls – wenn er sie nicht begehrte, was hatte er dann davon?
Während ihrer Woche in Melismate führte Edward sie zum Essen in bezaubernde, alte Landhäuser aus. Er nahm sie zu sehr erwachsenen Dates mit, zu Konzerten und Theaterstücken in Cheltenham und Bath, als wären sie schon seit zwanzig Jahren verheiratet. Rufa bemerkte, wie andere Frauen ihn ansahen, und versuchte, sich nicht davon quälen zu lassen, dass sie so wenig über ihn wusste.
Sie kehrte nach London zurück, ihr Sieg durch ihre Zweifel ein wenig beeinträchtigt. So beschämend es auch war, hätte Sex mit Edward ihren Triumph sicherer gemacht. Jonathan war ihr einziger Geliebter gewesen. Sie hatte keine Ahnung, wie man jemanden physisch in Besitz nahm. Irgendwo tief im Inneren war sie noch immer gelähmt oder erfroren.
An ihrem zweiten Morgen in Wendys Haus traf ein Bote mit einem großen Karton ein. Er war mit feuchter Baumwolle ausgelegt und voller Sternhyazinthen aus dem kleinen Wald hinter Edwards Haus. Sie erfüllten die Küche mit dem kraftvollen Duft der Natur.
Eine durchweichte Karte lag dabei. »Ich liebe dich. E.«
Rufa bewahrte sie sorgfältig auf und wünschte, sie könnte die Liebe daraus wringen, um ihre Angst zu besänftigen.
Wendy gab ihr verbliebenes Schlafzimmer gerne an Selena ab. Soweit es sie betraf, war die jüngste Hasty für alle Zeit das Baby der Familie. Wäre dieses Baby nicht schlaksige sechs Fuß groß geworden, mit spitzen Nägeln, hätte Wendy sie auf den Schoß genommen. Selena, in ihr ewiges Buch vertieft, schwieg und verschwand manchmal für Stunden.
Sie sagte nie, wohin sie ging, und Rufa machte sich unentwegt Sorgen.
»Ihr könnte alles Mögliche passieren. Sie ist zwar widerstandsfähig und schlau, aber sie ist erst siebzehn.«
Tatsächlich führte Selena ein untadeliges Leben.
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