Liebe im Zeichen des Nordlichts
Nordlichter anschauen. Die wollte ich mein ganzes Leben lang sehen.«
Alle drehten sich zu Bruno um.
»Wo kann man das denn?«
Bruno hatte bereits darüber nachgedacht und recherchiert.
»Nun«, begann er, »zum Beispiel in Kanada oder Alaska. Auch in Norwegen. Aber ich würde nach Island reisen. Ich wollte schon immer mal nach Island.«
»Ich habe geglaubt, es sei unmöglich, sie vorauszusagen.«
Bruno schüttelte den Kopf.
»Unmöglich ist es nicht. Man muss sich nur darauf einstellen, eine Weile zu warten.«
»Aber wenn du wüsstest, dass du sterben musst, würde dich das Warten nicht stören. Du müsstest dir ja sonst um nichts Sorgen machen.«
»Genau richtig.«
Addie schmunzelte. Sie stellte sich vor, wie er, mit wattierter Jacke und Jägermütze vermummt, auf einem Hocker inmitten einer riesigen Eisfläche saß und geduldig den Himmel betrachtete.
Simon riss sie aus ihren Gedanken.
»Und dennoch ist uns allen bewusst, dass wir einmal sterben müssen«, sagte er. »Das ist die einzige Gewissheit in unserem Leben. Trotzdem tun wir diese Dinge nicht. Erst, wenn es zu spät ist.«
Della fing an, die Kaffeetassen vor sich auf dem Tisch zu stapeln.
»Allmählich wird mir das Gespräch unheimlich.«
Sie stand auf.
»Ich muss ständig an die Kinder denken. Wenn sie ein wenig älter wären, könnte ich vielleicht darüber reden. Doch im Moment macht es mir Angst. Ich finde, wir sollten das Thema wechseln.«
»Wenn ich mich recht entsinne, hast du damit angefangen.«
»Nun, dann lass mich auch diejenige sein, die es beendet.«
»Und was ist mit mir?«
Alle drehten sich zu Addie um, die sich mit leuchtenden Augen aufgerichtet hatte.
»Ich würde gerne in noch mehr Pools schwimmen«, verkündete sie vergnügt. »Ich würde meine Wohnung verkaufen und, von Pool zu Pool, die Welt bereisen. Ich würde die verrücktesten Pools auf dem Planeten aufspüren, eine Liste machen und in allen schwimmen.«
Sie konnte es sich bereits vorstellen. In Gedanken betrachtete sie die Luftaufnahme eines Grand Hotels. In Neapel vielleicht oder auf Capri. Eines der Fotos, wie man sie für die an der Rezeption verkauften Ansichtskarten machte. Hinter der Hotelterrasse sind die steilen Klippen mit einem Geländer abgesichert. In der Tiefe schimmert blaugrün das Meer. Der Pool ist länglich und türkisfarben und wird von gestreiften Sonnenschirmen gesäumt. Addie sieht sich selbst, eine froschähnliche Gestalt im dunkelroten Badeanzug, die mit langsamen Brustschwimmzügen das Becken durchquert.
Noch während sie das denkt, hatte sie weitere Pools vor Augen. Einen Pool mit verdeckter Wasserkante in Cabo San Lucas, der in den Pazifik übergeht. Einen Pool auf einem glühend heißen Dach in Kairo, wo das Freitagsgebet durch die Luft hallt. Ein höhlenartiger Pool in einem Keller in Paris. Wie hieß der Film noch mal?
Drei Farben: Blau.
Della unterbrach sie.
»Ja, schon gut«, meinte sie ungeduldig. »Aber würdest du es wissen wollen? Das war die Frage.«
»Nein«, seufzte Addie. »Wahrscheinlich nicht. Doch es ist trotzdem eine interessante Vorstellung.«
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Kapitel 33
A m Morgen von Addies Geburtstag rutschte die Post mit einem ungewöhnlich lauten Plumps durch den Briefschlitz. Ein wunderschönes Geräusch. Addie erkannte es vom warmen Bett aus. Die Schlafzimmertür stand einen Spalt weit offen, und sie konnte den Haufen Briefe auf dem Boden beinahe sehen. Ihr Herz machte einen kleinen Satz. Sie spürte die Liebe.
Sie war früh aufgewacht und hatte wie immer an ihrem Geburtstag an ihre Mum gedacht. Sie hatte sich den Morgen vor 39 Jahren vorgestellt, an dem ihre Mum erschrocken die Augen aufgeschlagen und trotz ihrer Schlaftrunkenheit schlagartig erkannt hatte, dass heute der Tag war. Draußen war es sicher noch dunkel. Ihre Mum hatte sich zu Hugh umgedreht, um ihn zu wecken, während die Wehen ihr fast den angeschwollenen Bauch zerrissen. Vielleicht hatten die Schmerzen ja auch erst eingesetzt, als sie für Della Frühstück machte oder mit dem Kinderwagen zum Einkaufen ging. Vielleicht war sie ja nach Hause geeilt, um Hugh im Krankenhaus anzurufen, und hatte auf dem Weg noch eine Nachbarin gebeten, während ihrer Abwesenheit auf das Kind aufzupassen.
Da nie jemand Addie die Geschichte erzählt hat, muss sie es sich selbst ausmalen.
»Um welche Uhrzeit bin ich geboren worden? Das muss ich wissen, um mein Horoskop zu erstellen.«
»Gütiger Himmel, Kind. Ich habe keine Ahnung. Wie, um alles in der Welt, soll
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