Liebe im Zeichen des Nordlichts
auf den Fersen.
Der Arzt blickte bei ihrem Eintreten mit gelangweilter Miene auf. Die Patientin wirbelte herum, um festzustellen, was geschah. Sie wirkte verängstigt.
Hugh baute sich breitbeinig mitten im Raum auf. Bruno stellte sich neben ihn und versuchte, verglichen mit ihm keinen allzu kläglichen Eindruck zu machen.
»Hugh«, sagte Doherty ruhig und warf der Patientin einen entschuldigenden Blick zu.
»Dermot. Ich versuche seit zwei Tagen, Sie zu erreichen! Haben Sie meine Nachrichten nicht erhalten?«
»Oh, ja, tut mir leid.« Er wedelte wegwerfend mit der Hand. »Ich war auswärts auf einem Kongress. Leider hatte ich mein Mobiltelefon vergessen.«
Er hatte eine träge Art, so als wäre jede Bewegung eine Anstrengung.
»Passen Sie auf«, meinte er gedehnt. »Geben Sie mir einen Moment, wir sind hier gleich fertig.«
Bruno wollte schon kehrtmachen und den Raum verlassen, als ihm klarwurde, dass Hugh nirgendwo hingehen würde. Er rührte sich nicht von der Stelle. Widerstrebend folgte Bruno seinem Beispiel.
Also hatte Doherty keine andere Wahl, als die Konsultation zu beenden. Die Patientin sprang auf und umklammerte ihre Handtasche. Mit einem ängstlichen Blick auf Hugh hastete sie hinaus.
»Also, meine Herren«, begann Doherty und wies auf die beiden freien Stühle vor seinem Schreibtisch. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Hugh blieb stehen.
»Was bilden Sie sich eigentlich ein!«, brüllte er. »Meine Tochter zu behandeln, ohne mit mir zu sprechen!«
»Sie sind aufgebracht«, stellte Doherty gelassen fest.
»Natürlich bin ich verdammt noch mal aufgebracht, Dermot. Ich habe gerade erfahren, dass meine Tochter an einem Adenokarzinom leidet. Und niemand war so gütig, mich deswegen anzurufen!«
Doherty breitete beide Hände aus und senkte sie langsam in einer beschwichtigenden Geste.
»Könnten Sie sich bitte beruhigen, Hugh. Ich wusste gar nicht, dass sie Ihre Tochter ist, bis sie am fraglichen Vormittag hier war. Woher, um Himmels willen, sollte ich das wissen?«
Hugh konnte sich vorstellen, wie eilig jetzt nach der Akte gesucht wurde. Er hätte auf den Knopf der Gegensprechanlage gedrückt: »Holen Sie mir Adeline Murphys Akte, wenn Sie so gut sein wollen. Ich würde sie mir gerne ansehen.«
Hugh machte einen Schritt auf den Schreibtisch zu und sah Doherty drohend an.
»Wird das inzwischen so gehandhabt? Teilen wir einem jungen Mädchen mit, dass es Krebs im Endstadium hat, ohne dafür zu sorgen, dass jemand bei ihm ist?«
Doherty erwiderte den Blick wie ein aufsässiger Schüler. Seine Stimme war dunkel, sein Tonfall übertrieben ruhig.
»Wir haben sie gefragt, ob sie jemanden anrufen will. Herrgott, Hugh, wofür halten Sie uns? Sie hat es abgelehnt, und wir mussten ihren Wunsch respektieren. Schließlich ist sie kein Mädchen mehr, verdammt, sondern eine vierzigjährige Frau.«
Neununddreißig, dachte Bruno. Obwohl ihm dieses Detail wichtig erschien, schwieg er. Er wäre ohnehin nicht zu Wort gekommen.
»Sie haben die Konsultation unterbrochen, um ein Gespräch über Krankenhauspolitik zu führen! Während Sie ihr die Diagnose mitgeteilt haben, haben Sie die Schließung von Stationen und Personalknappheit im Pflegebereich erörtert!«
Doherty zog die Augenbrauen hoch. Seine Stimme klang fast wie ein Gähnen.
»Ich denke, ausgerechnet Sie sollten keine großen Reden über das richtige Verhalten gegenüber Patienten schwingen, Hugh.«
»Sie Dreckskerl!«
Ehe Bruno wusste, wie ihm geschah, machte Hugh einen Satz über den Schreibtisch. Doherty stieß einen leisen Schrei aus und kippte seinen Stuhl zurück, um dem Angriff zu entgehen. Bruno sprang auf und hielt Hugh zurück, wozu er alle seine Kräfte aufbieten musste.
»Sie mieser Dreckskerl!«, stieß Hugh zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Sie elender, mieser Dreckskerl.«
Doherty lehnte mit dem Stuhl an der Wand. Die Situation schien ihn beinahe zu amüsieren.
Bruno zerrte Hugh aus dem Zimmer. Der letzte Anblick, der sich ihm bot, bevor sie auf den Flur hinaustaumelten, war, wie Doherty seine Krawatte geraderückte und den Stuhl wieder auf vier Beine stellte.
Bruno blickte Hugh nach, der durch die Autoschlangen auf den Taxistand zusteuerte. Da er den Kopf gesenkt hatte, war die kahle Stelle hinten gut zu sehen. Er war ein Bild des Jammers.
Bruno hatte sich erboten, ihn nach Hause zu begleiten, doch er hatte etwas von einer Verabredung genuschelt und schien es mit dem Wegkommen eilig zu haben.
Inzwischen war
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