Liebe im Zeichen des Nordlichts
seine Mobilfunknummer, aber vergeblich. Sie beantragten eine Verschiebung des Termins, aber der Richter wollte nichts davon hören. Schließlich waren sie gezwungen, den Prozess in Hughs Abwesenheit zu führen. Hamlet ohne den Prinzen, wie der eine Anwalt dem anderen zuflüsterte, als sie ihre Plätze vorne im Gerichtssaal einnahmen.
Die Versicherungsgesellschaft bemühte sich noch ein letztes Mal um einen Vergleich, doch die Familie sperrte sich hartnäckig.
Ein Zeuge nach dem anderen wurde aufgerufen, und Gutachter aus England sagten aus. Und noch immer fehlte von Hugh jede Spur. Auf seinem Anrufbeantworter wurde Nachricht um Nachricht hinterlassen – ohne Reaktion. Die Verhandlung schleppte sich drei Tage lang hin, einer verheerender als der andere.
Das Ergebnis stand von vornherein fest.
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Kapitel 39
D ie Ärzte hatten von drei Monaten gesprochen, und ihre Prognose erfüllte sich fast auf den Tag genau.
Mit der Zeit ist es eine merkwürdige Sache, wenn man sie auf diese Weise betrachtet. Eigentlich möchte man meinen, dass sie eine feste Größe ist, etwas, das man in gleiche Teile portionieren kann. Jede Minute folgt unweigerlich der anderen, und zwar in einer Geschwindigkeit, die sich niemals ändert. Aber so ist es nicht. Die Zeit kann auch elastisch sein. Sie kann alles sein, was man sich wünscht.
Drei Monate, hatten die Ärzte gesagt, und das hatte sich sehr kurz angehört. Aber was in diesen drei Monaten alles geschah, widersprach jeglicher Logik! Addie und Bruno schafften es, eine ganze Ehe in diesen winzigen Zeitraum zu packen.
Die Trauung fand im Standesamt in der Grand Canal Street statt. Eigentlich musste man das Aufgebot drei Monate im Voraus bestellen. Addie schmunzelte, als sie das erfuhr. Um eine Ausnahme zu machen, war eine Bescheinigung von Gericht nötig. Man musste beweisen, dass man triftige Gründe dafür hatte, warum die übliche Wartezeit nicht eingehalten werden konnte.
»Das kriegen wir hin«, verkündete Addie vergnügt.
Sie hatte die Hochzeit bis in die letzte Einzelheit selbst geplant. Das silberfarbene Satinkleid hatte sie in einem Secondhandshop gekauft und ein Paar alte Schuhe mit Lack besprüht, damit sie dazu passten. Keine Luxuslimousine, keinen Fotografen, keine Blumen, kein Tamtam. Sie reservierte einen Tisch für ein spätes Mittagessen bei Danny’s und bestellte Steak und Pommes für alle. Ein Turm aus Baisers musste als Torte herhalten. Und sie versprach einer der Kellnerinnen ein zusätzliches Honorar, wenn sie sang und Gitarre spielte.
»Ach, ich verstehe«, meinte Della, »du wünschst dir eine ausgeflippte Hochzeit.«
Aber Addie lachte nur. Das Schöne an ihrer Situation war ja gerade, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Die absolute Freiheit! Sie fühlte sich, als seien die Fesseln, die sie ihr ganzes Leben lang festgehalten hatte, endlich durchtrennt worden. Nun schwebte sie über dem Boden und ließ sich treiben wie ein Blatt von einer Windböe.
Die Kinder erhielten den Auftrag, Lola ins Standesamt zu schmuggeln, denn Addie war fest dazu entschlossen, dass sie dabei sein musste.
»Sie ist für mich fast wie ein Baby«, erklärte sie ihnen, worauf sie feierlich nickten.
Sie beschlossen, dass Lola eine Verkleidung brauchte. Also setzten sie ihr einen Sonnenhut auf und schlangen ihr eine Samtstola um die Schultern wie einen Umhang. Dann stopften sie sie in einen Stoffbeutel, den Elsa sich über die Schulter hängte. Nun sah man nur noch Lolas verängstigte Augen, die unter der Hutkrempe hervorspähten.
»Wie in
ET
«, verkündete Hugh bei ihrem Anblick, worauf die Kinder sich vor Lachen krümmten.
Tess setzte Lola neben sich auf die Bank, legte den Arm um sie, damit sie sich nicht von der Stelle rührte, und fütterte sie pausenlos mit Hundekuchen aus ihrer Tasche. Die Standesbeamtin hatte die Ruhe weg und tat, als hätte sie nichts bemerkt.
Danach gingen sie zu Danny’s gleich um die Ecke. Sie tranken Champagner aus kurzstieligen kleinen Weingläsern, und Bruno las die Nachrichten von seinen Schwestern vor. Reden waren streng verboten, aber Maura erhob sich trotzdem, um einen Trinkspruch anzubringen. Sonst unternahm niemand einen Versuch, nicht einmal Hugh, der sich erstaunlich still verhielt. Ständig tätschelte er Addies Arm. Seine glitzernden Augen hinter den Brillengläsern sahen verdächtig nach Tränen aus.
Nach dem Essen ließ sich die Kellnerin mit ihrer Gitarre auf einem Barhocker nieder.
»Der erste Tanz«,
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