Liebe im Zeichen des Nordlichts
ihr her, als sie in langen Sätzen die Stufen hinaufeilte. Der kleine Hund folgte ihr unbeholfen. Treppensteigen war nicht einfach, wenn man vier Beine hatte.
Hugh spürte, wie es ihm allein von dem Anblick warm ums Herz wurde. Er bemerkte, dass seine Stimmung plötzlich umschlug. Die Schatten verschwanden in Sekundenschnelle. Addie hatte immer diese Wirkung auf ihn. Sobald er sie sah, waren seine Sorgen wie weggeblasen.
Er hörte, wie sich ihr Schlüssel im Schloss drehte. Dann ein Keuchen, als sich die Tür öffnete, und das Klicken von Hundekrallen auf dem Fliesenboden in der Vorhalle.
Hugh richtete sich auf und wandte sich zur Tür um. Er straffte die Schultern und setzte eine leutselige Miene auf, seine Maske, Humor als Verteidigungsstrategie. Er zog einen Schleier über seine Liebe, ohne es selbst zu bemerken.
»Der Gips ist ab!«
Er saß am Schreibtisch vor dem Fenster, ballte die Finger zur Faust und öffnete sie wieder. Wie er die Finger spreizte, sah es aus, als wolle er bis zehn zählen.
»Oh, ja, heute Morgen ist er entfernt worden. Habe ich dir das nicht erzählt?«
Sie schüttelte den Kopf. Dabei fragte sie sich bereits, ob er es ihr nicht vielleicht doch gesagt hatte. Vielleicht hatte sie ja nicht richtig zugehört. Vielleicht hatte sie es auch vergessen.
Nun ließ er die Hände an den Handgelenken kreisen und malte damit Kringel in die Luft. Dabei drehte er den Kopf hin und her, um seine Hände zu beobachten, als schaue er einem Tennisspiel zu. So, als seien es gar nicht seine Hände, die sich da bewegten.
»Erstaunlich schwierig, diese Übungen, die sie mir aufgebrummt haben. Als müsste ich auf einem Bein stehen und gleichzeitig mit dem Finger die Nase berühren.«
Er musste immer wieder von vorne anfangen, da seine Hände aus dem Takt gerieten. Eine drehte sich schneller als die andere, oder er stellte fest, dass die andere plötzlich in Gegenrichtung rotierte. Er war fest dazu entschlossen, sie zu koordinieren. Ein gutes Training fürs Gehirn.
»Lass mal sehen«, meinte sie und ließ sich in den Sessel neben seinem Schreibtisch fallen. Sie streckte die Hände aus, damit er seine darauflegen konnte.
Widerstrebend tat er es.
Sie betrachtete sie eine Weile und streichelte sie mit den Daumen. Dann beugte sie sich vor, um sie zu küssen.
»Die armen Hände«, sagte sie in zärtlichem Ton.
Er musste sich beherrschen, um nicht zurückzuzucken.
»So«, fuhr sie fort und hielt sie weiter fest. »Wann kannst du wieder arbeiten?«
Sie blickte zu ihm auf. Ihr Gesicht war offen und strahlte. Zum wohl hundertsten Mal fiel ihm auf, was für schöne Augen sie hatte. Das Weiße war makellos weiß, die Iris dunkelgrau wie das Meer an einem stürmischen Tag. Er liebte ihre Augen, obwohl er ihr das nur über seine Leiche verraten hätte.
Sanft entzog er ihr seine Hände und legte sie auf die Oberschenkel, wo er sich ein paarmal damit über die Hosenbeine fuhr und das Gefühl genoss, dass sie wieder ihm gehörten.
»Oh, ich glaube, das wird noch eine Weile dauern«, erwiderte er lässig. »Ich habe ja gerade erst mit der Physiotherapie angefangen.«
Er begann, in den Papieren auf seinem Schreibtisch zu kramen, und tat, als suche er etwas.
»Was schätzt du?«
»Meinst du die Physiotherapie?«
Er blickte sie immer noch nicht an.
»Nein, bis du wieder zur Arbeit kannst.«
Er schlug einen beiläufigen Tonfall an.
»Oh, das ist sicher nur eine Frage von Wochen. Die Entscheidung liegt ganz bei mir.«
Im nächsten Moment begann er, leise vor sich hin zu summen. Alles war ihm recht, um die Stille zu füllen. Wenn er log, war er wie ein kleiner Junge.
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Kapitel 26
E r ist vom Dienst suspendiert«, verkündete Della. »Bis zur Anhörung vor der Ärztekammer.«
»Nein«, konnte Addie nur sagen. »Bitte nicht.«
»Oh, doch«, erwiderte Della. »Offenbar redet das ganze Krankenhaus über nichts anderes mehr. In dem Laden ist die Hölle los, wenn man Simon Sheridan glauben kann.«
»Ach, nein, Della, sag so was nicht.«
Addie traten die Tränen in die Augen, und sie schlug die Hand vor den Mund.
Aber Della sprach schonungslos weiter. Sie sagte so schreckliche Dinge, dass Addie ihren Ohren nicht traute.
»Im OP hat es einen Riesenkrach gegeben. Hugh wollte, dass einer der Assistenzärzte den Eingriff durchführte. Doch das Englisch des Typen war zu schlecht. Er gibt an, er habe Hugh nicht verstehen können.«
»Oh, mein Gott«, stöhnte Addie.
Sie hatte Hughs Stimme im Ohr. Schwimmen
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