Liebe im Zeichen des Nordlichts
vor, wobei sie sich ihre Worte sorgfältig zurechtlegte. Es war nicht die Rede vom Zusammenziehen. Sie waren keine Lebensgemeinschaft. Er übernachtete einfach nur bei ihr.
»Ist das wirklich deine Wohnung?«
Er stand im Wohnzimmer und schaute sich mit großen Augen um.
Sie war nervös und verlegen gewesen, als sie ihn mit in die Wohnung nahm. So, als würde sie sich wieder zum ersten Mal vor ihm ausziehen. Hughs Souterrainwohnung war ein neutraler Ort gewesen. Doch das hier war ihre Wohnung. Sie verriet Dinge über sie, die Hughs Souterrainwohnung nicht preisgegeben hatte. Die Wohnung war wie ein Sammelalbum ihres Lebens, und jetzt gestattete sie Bruno, es durchzublättern.
Sie warf ihm einen ängstlichen Blick zu.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, meinte er. »Wahnsinn!«
Wenn man von der Straße hereinkam, rechnete man nicht damit.
Durch die Eingangstür trat man in einen dunklen, fensterlosen Flur, von dem vier Türen abgingen. Ein Flur, wie er weniger aufsehenerregend nicht sein konnte. Teppichboden, Lichtschalter und Deckenstrahler. Durch eine halb offene Tür rechts war eine kleine Küche zu sehen. Ein Stück weiter auf der linken Seite waren Badezimmer und Schlafzimmer zu vermuten. Also musste das Wohnzimmer geradeaus sein.
Doch wenn man die Schwelle des Wohnzimmers überschritt, war es, als spaziere man einen Sims entlang, der über eine tiefe Schlucht ragte. Man fand sich in einem großen weißen Zimmer wieder. Eine Glasfront verlief die ganze Wohnung entlang. Vor dem Fenster erstreckten sich Wasser und Luft, so gewaltig, dass einem schwindelig wurde.
Bruno schlenderte zur Glasscheibe und spähte hinaus.
»Du kannst auch rausgehen. Da drüben rechts. Schau, da ist eine Tür.«
Sie öffnete sie, und dann traten sie zusammen hinaus auf den schmalen Balkon.
Ihnen gegenüber erhob sich eine alte Mühle aus dem Wasser. Der aufgemalte Name der Bäckerei war auf dem grauen Stein noch zu lesen. Es gab auch noch andere Gebäude, die ein wenig kleiner waren. Lagerhäuser aus Stein und ungenutzte Getreidespeicher.
»Was ist das hier?«, fragte Bruno.
Addie lachte. »Das Grand Canal Basin.« Sie wies auf eine niedrige Brücke auf der rechten Seite. »Da hinten ist der Kanal.«
Sie wandte sich nach links und zeigte auf eine größere Brücke. »Und dort fließt das Wasser ins Meer.«
Unter der Brücke erschien ein hellgelbes, vollbesetztes Boot. Die meisten Passagiere trugen Wikingermützen. Man konnte den lautsprecherverstärkten Vortrag des Reiseführers mit der braunen Mönchskutte gerade noch ausmachen. Der Wind verwehte seine Stimme.
Als das Boot an Addies Balkon vorbeifuhr, drehten sich alle Köpfe. Der Reiseführer sagte etwas, und im nächsten Moment stießen alle ein lautes Wikingergebrüll aus. Einige reckten die Fäuste in Addies und Brunos Richtung.
Addie und Bruno brüllten zurück und schwenkten wie wild die Fäuste.
Bruno lachte immer noch, als das Boot langsam wendete und tuckernd das Hafenbecken durchquerte.
»Das ist ja irre! Wie oft kommen sie denn?«
»Oh, einmal in der Stunde«, erwiderte sie. »Ab und zu sogar zweimal. Irgendwann wird es langweilig.«
Er beugte sich vor. Sie dachte, dass er sie jetzt küssen würde, aber er flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Da bin ich nicht so sicher.«
»Glaubst du, der Platz reicht?«
Als sie ins Zimmer kam, stand er vor dem offenen Wandschrank und starrte mit verdatterter Miene hinein.
Da war jede Menge Platz. Er war noch nie einer Frau begegnet, die Platz im Kleiderschrank hatte.
Addie stellte sich neben ihn, und dann schauten sie zusammen in den Schrank.
Er hatte eine halbe Wand, fünf leere Regale und eine 25 Zentimeter lange Kleiderstange für sich. Nach einem Blick auf den Rucksack zu seinen Füßen sah er Addie an.
»Okay«, meinte sie. »Der Platz reicht.«
Sie war entsetzlich nervös und konnte nicht stillhalten.
»Ich glaube, ich gehe schwimmen, falls es dich nicht stört. Dann kannst du dich erst mal eingewöhnen.«
Mit diesen Worten griff sie nach ihrer Badetasche und war zur Tür hinaus, bevor er antworten konnte. Er warf seinen Rucksack in den Schrank und schloss die Tür. Als er sich aufs Bett setzte, hörte er die Wohnungstür zufallen.
Ein statisch knisterndes Schweigen blieb zurück.
Das Schwimmbad ist Addies Rückzugsort, hier fühlt sie sich am glücklichsten.
Sie liebt das künstlich blaue Wasser und den zittrigen Mosaikboden. Sie liebt es, wie das Sonnenlicht in schrägen, länglichen
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