Liebe in groben Zügen
Stadt, die Dämonen seines eigenen Novembers zu vertreiben. Er trägt einen Umhang aus besticktem Leinen mit roter Seidenschärpe, wie ein Zingulum, nur noch schmucker, er klopft mit einem Holzschwert, das er sich geschnitzt hat, an die Türen der Mägde, eher Türchen am Rande der Häuser, auch für Ziegen, die ein und aus gehen. Ich bin es, singt er, Giovanni Francesco, Sohn des Tuchhändlers, kommt und fühlt meine Stoffe! Er steigt vom Pferd, das dem Vater gehört, und dreht sich, daß der Umhang fliegt, und eine der kleinen Türen geht auf, ein rundes Gesicht erscheint, das geflochtene Haar wie ein dunkler Rahmen. Franz tritt näher, er verbeugt sich, das eigene Haar fällt ihm über die Schultern, er ist bald zwanzig und hat noch kein Mädchen gehabt, nur im Traum. Wie ist dein Name, fragt er, und sie flüstert etwas, den Kopf gesenkt. Flores? Er wiederholt es leise, darauf hebt sie den Kopf, ihre Wangen leuchten – in dem Haus, dem sie diene, sei von ihm, dem Sohn des Bernardone, oft die Rede: der mit der Seidenstimme. Ihr Flüstern ist heiser, sie ist erkältet, wie so viele im November, er nimmt dem Pferd die Schmuckdecke ab, legt sie ihr um Schultern und Kopf, so könnte sie auch ein Knecht sein, der ihn begleitet. Sie zögert noch, und er verspricht ihr den Himmel, nicht weit von hier in der Kirche San Lorenzo. Gehen wir, sagt er und führt das Pferd und Flores in der Decke die Via di Porta Perlici bergan, jeder Schritt ein Schritt weg vom Sohnesleben – ein Kaufmann soll er werden und seinem Vater in allem nachfolgen, also mit Stoffen handeln und das verdiente Geld verleihen. Nur ist er kein Feilscher, kein Rechner wie Pietro, wenn er mit etwas rechnet, dann mit Wundern, also führt er die heisere Magd, jünger als er, in das Kirchlein San Lorenzo, nur genutzt an Sonntagen, sonst dient es in kalten Nächten den Tieren. Pferde und Esel stehen dort auf felsigem Boden, Schafe auch im Winter, und immer gibt es ein paar Heuballen oder Abfälle, etwas zum Kauen, und die Luft ist feuchtwarm von den Leibern – der richtige Ort für ein Wunder, dunkel bis auf das Ewige Licht. Sie tasten sich an den Tieren entlang und finden einen Platz hinter den Balken und Brettern für ein Gerüst, um noch die Decke zu bemalen. Franziskus holt sich einen der Heuballen, er bittet Pferd und Esel und ein Maultier um Verzeihung, dann legt er das Heu zwischen die Balken und läßt sich nieder, und Flores – die kein Mädchen mehr ist, wie die meisten der Hausmägde, die schon zu zwinkern versteht – kommt neben ihn. Sie trägt einen Kittel aus Schafwolle, dazu Holzschuhe und um die Füße ein paar Lappen, sie zittert in seinem Arm, aber nicht vor Kälte. Bis auf das Kauen der Tiere und manchmal ein Klatschen oder Plätschern auf dem Stein ist es still, so still, daß die eigenen Geräusche etwas von Lärm haben: ihr beider Atem und das Knüllen von Wolle, das Knicken von Leinen und sprödem Heu, das Rucken am Gerüsteholz und Reiben von Haut an Haut. Franz gräbt sich in das Fremde, Weiche, als ließe sich das Verlangen dadurch stillen, daß er dessen Ursache findet. Er tastet und riecht, ein Tasten und Riechen mit kühler Erregung. Er liebt nicht, er forscht, wie er auch heimlich im väterlichen Stofflager geforscht hat, nicht nach dem, was sich mit größtem Nutzen verkaufen läßt, sondern ihn am besten kleidet. Auch der Leib, den er umarmt, ist ein Stoff, er schaut in das Gesicht unter seinem mit prüfendem Blick, die kleine Stirn im Schimmer des Ölflämmchens hinter rotem Glas, der Kerze, den Schwung der Augenbrauen, die bebende, etwas breite Nase, den leicht offenen Mund. Sag meinen Namen, sagt er, und sie flüstert ihn heiser, einmal, zweimal, dann ist er am Ziel und schleudert alles Sohnsein heraus. Pferde und Esel rücken zusammen, deutlich die Hufe auf dem Stein, die Unruhe, das Wetzen der Felle, das leise Schnauben und Scharren, dazwischen Flores’ Atem, als hätte sie Körbe nasser Wäsche geschleppt, während er schon wieder bei sich ist, zu seinem Umhang, seiner Schärpe greift und an die Freunde denkt: daß sie ihn gleich auf der Gasse erwarten würden, damit sie gemeinsam, singend, sein neues Leben feierten und bis in die Oberstadt ritten, um den alten Bernardone mit ihren Stimmen zu wecken. Sie sind wie Brüder, ihm näher als jedes Fleisch, das nur an seinem Fleische saugt – von einem Krieg gegen Perugia ist im Palazzo del Populo die Rede, in diese Schlacht würden sie alle ziehen, er und die ihm Liebsten
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