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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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als junge Ritter zu Pferd, um die alte Hure Perugia vor ihren Toren für immer zu schlagen.
    Der Regen über Assisi wollte nicht enden in diesen Novembertagen, die Feuchtigkeit drang durch die Fensterritzen, ja sogar durch die Mauern des alten Hotels, an den Zimmerwänden liefen immer wieder Tropfen herunter, nach jedem Duschen stand der Dampf im Raum. Die Heizung kam kaum an gegen die Nachtkälte; tagsüber half nur ein Radiator bei steifen Fingern: die das Schreiben noch langsamer machten, als es ohnehin voranging. Bühl hatte sich einen Schirm gekauft, jeden Nachmittag lief er einmal quer durch die Stadt und zurück über den Rocca Maggiore mit Blick auf die grauen Häuser und Kirchen im Regen, als gäbe es nichts als Mauern und Nässe, wie eh und je im November, und die Zeit wäre stehengeblieben. Wieder im Hotel, sah er nach, ob Vila etwas geschickt hatte, aber diesmal kam die Antwort erst nach Tagen: Freiburg, ja, warum nicht. Und kann ich dabei sein, wenn du zu tun hast? Was hast du überhaupt zu tun, ich kenn dich kaum?
    Bühl druckte es aus, sein bester Wandschmuck; es war, als hätten sie es abgesprochen, keine Namen und nur das Nötigste. Eine andere Antwort dagegen voller Überschwang, Tullas ganze Freude, ihn vielleicht bald zu sehen. Nur wollte er bis zum Winter warten, seine Idee: mit Vila durch den verschneiten Wald von Zartenbach nach Unterried gehen. Was ich zu tun habe, schrieb er zurück, Behördengänge. Jemanden aus dem Fegefeuer holen, der den Himmel verdient hat. Und warum nicht zu zweit, du bist ohnehin bei mir! Keine Übertreibung; Vila begleitete ihn bei seiner Arbeit, seinen Wegen, den Mühen des Einschlafens. Und in der ersten Nacht ohne Regen, im Zimmer eine Stille, die ihn wach hielt, begann er damit, Franz in den Krieg gegen Perugia ziehen zu lassen, nur um an etwas anderes zu denken – was so wenig gelang wie das Schlafen. Erst gegen Morgen schlief er ein, und erst das Zwölfuhrläuten weckte ihn, ein unhaltbarer Zustand. Er hängte die Drucke wieder auf, wo sie gehangen hatten, bezahlte das Zimmer und ging mit seinen Sachen zu dem abgelegenen Parkplatz. Das erste Fahrziel war klar, der Wagen musste wieder zum Flughafen von Florenz, also fuhr er ihn dorthin, um an Ort und Stelle einen neuen zu mieten, ohne Vilas Geruch im Polster. Der Abend brach schon an, als er auf die Autobahn Richtung Bologna/Ravenna fuhr, und auf der Tunnelstrecke über den Apennin, ringsherum nichts als Schwärze, summte sein Telefon, er bog in die nächste Haltebucht. Es regnete wieder, der Regen jetzt vermischt mit Schnee, an der Frontscheibe mattes Klatschen, als der Motor abgestellt war; das Licht von dem kleinen Schirm wie das einzige Licht weit und breit. Freiburg nach Weihnachten wäre möglich, so stand es da blau auf weiß, und auf einmal hatte alles bis dorthin Sinn, angefangen mit der weiteren Strecke, über Bologna und Modena bis zur Autobahnausfahrt Affi und von dort noch das Stück zum See und die paar Kilometer zu dem Haus, das er als Mieter zu hüten hatte.
    UND wieso gerade Freiburg? Renz – auch in einem Mietwagen, nur in wärmerer Umgebung um diese Jahreszeit, nämlich Mallorca, und auch auf einer Autobahn, zwischen dem Flughafen und dem Städtchen Pollença, der versprochene Besuch bei Heide und Jörg –, Renz war noch nicht misstrauisch, aber gewarnt durch sich selbst: den, der sich jede Geschichte ausdenken konnte, nur damit keine weiteren Fragen kommen. Freiburg nach Weihnachten, du hast nicht zugehört, sagte Vila. Dann liegt dort Schnee. Ich will ein paar Tage für mich sein, durch einen verschneiten Wald laufen. Und auch nicht in Freiburg, in der Umgebung, auf dem Schauinsland, dem Feldberg, was weiß ich! Sie hatte noch am Vortag, während Renz wegen seines Zweiteilers mit Hermes Film telefonierte, in Katrins guten alten Atlas gesehen, die Süddeutschlandseiten mit Bodensee- und Schwarzwaldkarten, sie hatte Bühls Tal gefunden, auch die Orte Zartenbach und Unterried, jeweils ein Name bei einem schwarzen Punkt: Da konnte sie sich mehr vorstellen als mit Google Earth oder Street View; sie hatte sogar schon winterfeste Stiefel gekauft. Renz sah sie an, ein kurzer Blick. Aber Schnee war nie deine Sache, also warum auf einmal? Wenn ich für mich sein will, dann in einer warmen Stadt, um dort abends herumzulaufen. Wieso nicht Palma?
    Weil ich nicht du bin, sagte Vila, ihr letztes Wort auf einer Fahrt in früher Abenddämmerung, sie schloss sogar die Augen, sie kannte die Strecke, dreißig

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