Liebe in groben Zügen
des pensionierten Schreibdebütanten: sie solle das bitte machen, am besten gleich eine Homestory. Vila zog ihre Laufschuhe an und ließ sich von Heide den Weg zu einem Berg am Ende des Tals erklären.
Es war kein hoher Berg, eher eine hohe felsige Erhebung mit Pfaden zwischen Sträuchern und Gesteinsbrocken, Pfaden, die sich manchmal in Geröll oder Bächen verloren, dann wieder auftauchten und über kahles Gelände führten. Und je höher sie kam, desto mehr nahm der Wind zu, beugte die dürren Gräser, und setzte er aus, war es still, und sie erschrak, wenn irgendwo Steine rollten, weil eine Bergziege wegsprang. Der Schweiß rann ihr, und bei jedem Windstoß fror sie an Armen und Beinen; vor ein paar Wochen hätte sie noch kehrtgemacht, nun aber lief sie weiter, ein Muss, sie konnte nicht anders, aber zwang sich auch: ein Muss, sich zu zwingen, sich aus dem Leib zu schlagen, was zu viel für sie war, und gegen Mittag erreichte sie die Bergkuppe und sah auf der anderen Seite die Bucht von Pollença und das offene Meer, wo Renz irgendwo sein musste, blutverschmiert vom Töten eines Fisches. Sie setzte sich zwischen Geröll, Gesicht und Rücken nass vom Anstieg, und tat etwas für ihr Gefühl Absurdes an einem Ort mit keiner Menschenseele weit und breit, nur dem Wind und den Steinen, sie zog ihr Telefon aus der Tasche und hatte, wie ein Triumph des Absurden, gleich guten Empfang und wählte Bühls Nummer.
Wie geht es dir? Seine ersten Worte, immer noch umwerfend in ihrer Höflichkeit. Ich weiß nicht, wie es mir geht, ich bin allein auf einem Berg, sagte sie und sagte auch gleich, wo dieser Berg lag und was sie dort hingetrieben hatte. Und du? Sie lag jetzt flach auf den Steinen, einziger Schutz vor dem Wind, und er erzählte ihr von seinen letzten Tagen in Assisi, den Gängen im Nebel, ohne sie, den Nächten ohne sie, der Rückfahrt an den See, dem Haus ohne sie – kein Klagen, nur ein Feststellen, und sie sagte Ich vermisse dich, und er gab es zurück, ohne ein Auch am Ende, dafür mit Betonung auf dem Ich, einem leichten Nachdruck, der auch ein Nachdruck für das Weiterreden war, es ihr leichter machte. Ich habe dein Dorf, Zartenbach, auf der Karte gefunden. Treffen wir uns dort, wenn Schnee liegt, oder wo genau hast du zu tun? Sie hielt das Telefon jetzt mit beiden Händen, sie fragte noch, was er zu tun habe in der Gegend, und er erzählte es mit wenigen Sätzen, im Grunde hätte der Name genügt, Tulla Maria Hug, seine Kinderfrau, nun selbst auf andere angewiesen, in einem Heim lieblos am Leben erhalten. Lieblos, woher weißt du das? Es begann zu regnen, vom Meer eine nahende Front, über ihr schon niedere Wolkenfetzen. Eine Vermutung, sagte er und kam auf Renz, der ihn treffen wollte. Aber nicht unseretwegen, keine Angst, nur wegen Franziskus, der Zweiteilersache, ein Treffen in München, mein Vorschlag. Franz und Klara, ihre Geschichte auf dem Prüfstand, warum nicht. Und du bist ganz allein auf dem Berg, im Wind? Er schien den Wind zu hören, ja sogar den Regen, und sie beschrieb ihre Lage, wie die der letzten Frau auf Erden, inmitten von Geröll und Wolken, und er riet ihr, vorsichtig zu sein beim Heruntergehen – Pass auf dich auf! Sein Schlusswort, das sie zurückgab, mit einer Betonung auf Dich, dann machte sie sich an den Abstieg, die Arme um sich geschlungen gegen die Kälte.
Und noch in der Nacht wurde sie krank, mit Fieber und Gliederschmerzen, und auch Renz wachte von Schüttelfrost und einem pochenden Kopf auf; er und Jörg waren am Abend mit leeren Händen, aber triefend vor Nässe auf die Finca gekommen, nach einem einzigen Biss in acht Stunden, ein jähes Sirren an der Rolle. Jörg war gerade am Bug, und Renz kannte nicht den Mechanismus, um die Rolle zu bremsen, was den Haken in die Knorpel getrieben hätte, also konnte der Fisch Köder und Haken ausspucken, die Schnur wurde schlaff, das Sirren hörte auf, dafür Renz’ Flüche. Und nach dem einen Biss nur noch Regen und die Rückfahrt und später eine Suppe, da hatte Vila schon gefroren trotz hundert Teelichtern auf dem Tisch, während Renz noch glaubte, mit Rioja das Ärgste verhindern zu können. Aber es ließ sich nicht mehr verhindern, es brach schon heraus, eine Erkältung plus irgendeinem Virus, vielleicht aus dem Flugzeug. Den nächsten Tag verbrachten beide im Bett, ein Dämmern im Fieber, jeder für sich; am Abend kam Heide mit Pfefferminztee und zwei Wärmflaschen, das geplante Paella-Essen fiel aus. Die Nacht dann eine
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