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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Kopfweh- und Schüttelfrostnacht, dazu erstes Husten, jeder warf dem anderen vor, ihn am Schlafen zu hindern, überhaupt daran schuld zu sein, dass man hier so liege: schuld an dem ganzen Scheiß, wie Renz gegen Morgen in einem kindischen Wutanfall rief. Er hasste es, krank zu sein, und Vila hasste es auch, es machte sie alt, viel älter, als sie war, zur Mutter der Frau, als die sie sich fühlte, und wenn sie beide krank waren, machten sie einander nur noch kränker, statt sich zu helfen, wie Heide und Jörg es tun würden. Wir lesen uns vor, wenn wir krank sind, sagte Heide, als sie am Mittag noch einmal zu viert um den Teelichtertisch saßen, Renz mit klappernden Zähnen. Ihr Rückflug war um halb vier, sie mussten schon um eins mit dem Mietwagen los; auf der Fahrt nach Palma dann kaum ein Wort, nur Husten und Sich-selbst-Wärmen, Renz fuhr mit einer Hand. Und auch auf dem Flug nur das Nötigste, wer welchen Teil der FAZ bekäme, oder ob man etwas einkaufen sollte für morgen – nein.
    Sie landeten mit Verspätung, die Fahrt in die Stadt schon im Abendverkehr, die Schadowstraße so still wie immer, die Treppen zur Wohnung eine Tortur. Renz verschwand sofort in sein Zimmer, Vila hörte ihn noch stöhnen: kein Theater, er war wirklich krank, und sie war es auch, sogar doppelt krank. Sie liebte, und sie fror. Selbst unter zwei Decken fror sie so erbärmlich in dieser Nacht vor einer Arbeitswoche mit drei Interviews für ihre erste Weihnachtstippssendung, dass sie irgendwann aufstand, um sich eine Wärmflasche zu machen, und in der Küche auf Renz traf. Er wollte das Gleiche und hatte schon heißes Wasser – den Kocher in der Hand, stand er da, das graue Haar verklebt auf seiner Fieberstirn, in der anderen Hand Katrins alte Kinderwärmflasche mit Ponykopf, nicht sicher, wie es jetzt weitergehen sollte. Ich mache das, sagte sie, gib schon her.
    BEIDE hatten sich eine Grippe geholt, nicht gravierend, aber gravierend genug. Vila musste die Interviews absagen, eine junge Kollegin sprang für sie ein, und der Ex-Minister mit einem Roman aus der Welt der Arbeit fasste seine Enttäuschung über die geplatzte Homestory – die Kollegin hatte zu viele andere Termine für den Besuch in seinem Vogelsberghaus – in einem Brief an den Intendanten zusammen, einer Kritik gleich am ganzen Format, die auf Vila zurückfiel. Erst Ende der Woche erfuhr sie durch Jens Podak davon, immer noch so fiebrig, dass es ihr gleichgültig war oder fast gleichgültig, so wie Renz’ gebrauchte Taschentücher, die er überall herumliegen ließ, bis ihre polnische Hilfe Barbara, die sich ständig für alles entschuldigte, sie wie zu Boden gefallene Blüten aufhob. Renz hatte im Übrigen keine Stunde gearbeitet in der Woche, er hatte nur im Bett gelegen und sich amerikanische Serien angesehen. Er hatte auch nicht telefoniert oder bloß telefoniert, wenn Elfi nach ihrem Praxistag in der Wohnung war und zuerst die Patientin gründlich abhorchte; er hatte höchstens gemailt im Bett, bevor Elfi seinen Rücken abklopfte, und später wohl auch ein paar Worte empfangen, die ihm über die Fiebernacht halfen, so wie ihr ein paar Worte von Bühl: die sie leider nicht ausdrucken konnte, um sie an die Wand zu hängen. Dafür hing über ihrem Nachttisch das Bild mit dem Lamm, wie von selbst beim Stöbern im Netz entdeckt, der Ausdruck leider nur schwarzweiß und von Renz bei seinem täglichen Schleichgang durch die Wohnung auch gleich bemerkt. Spanische Barockschule, seit wann stehst du auf so was, sagte er, während Elfi es lange betrachtet hatte, um am Ende zu sagen, es sei eigentlich gar kein Lamm, und überhaupt mehr Mensch als Tier.
    Elfi kam jeden Abend von oben, ihr Stethoskop um den Hals und in den Händen eine Suppe von Lutz: der auch als Orthopäde Ideen zur Grippebehandlung hatte, ein Arzt, der von allem etwas verstand, dabei auf dem Boden blieb, auch wenn er gelegentlich das Knie eines Eintrachtspielers in die Hände bekam. Zur Martinsgans bei Anne und Edgar seid ihr wieder fit, sagte er an dem Tag, als Renz zum ersten Mal an seinem Schreibtisch saß, die Maus auf einem Buch über Franz von Assisi. Er grub sich tatsächlich in diesen Stoff, in diese Figur, wie er sich schon in Anwälte, Geschäftsfrauen oder eine Pathologin gegraben hatte. Vila hörte ihn sogar vor sich hin murmeln, kurze Dialoge probieren, als sie die lutzsche Suppe aufwärmte, ein beängstigendes Gemurmel, wie ein Komplott zwischen Renz und Franz gegen Bühl und sie – unmöglich,

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