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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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offenere Form, auch neu präsentiert! Er sagte das, als hätte sie damit nichts zu tun, und kam dann schon mit den Dingen, von denen sie gehört hatte, seiner Idee eines ganz neuen Talkformats: für das jemand die Besten der Besten scouten muss! Und wissen Sie was, sagte er im Ton einer Pointe: Sie gehören zu den wenigen mit noch festem Vertrag bei uns, und daran ändert sich nichts! Darauf wollte er gleich trinken und rief seinen Sohn, und der füllte die Gläser, ein Vierzehnjähriger mit Brille und Fliege, und noch während des Prosits auf das neue Format und die neue Gästejägerin kam es zu einem After-Midnight-Auftritt. Hayat Yilmaz die Scheintürkin erschien, also nahm Vila noch einmal alle Küsschenkräfte für ihre Nachfolgerin zusammen, bevor sie mit Renz aufbrach, in der Hand die designte Erinnerungskarte, obwohl der Heringssalat noch ausstand.
    Im Taxi lief Musik, ein verzehrendes Auf und Ab wie in marokkanischen Bussen, von dem Fahrer mit weißer, kranzartiger Kopfbedeckung leise mitgesummt. Weißt du noch, sagte Renz, aber Vila sah sich die Karte an, eine Gestaltung der neuen Jahreszahl mit zwei Einsen und einer Null, in dem Rund die Gestalterin selbst, Friederike Wilfinger, ein Porträt in Schwarzweiß; ihr Mann dagegen auf den spitzen Einsen balancierend, sorgenvoll von seiner Frau aus der Null heraus betrachtet. Und vielleicht liebten sich die beiden sogar, und keiner müsste sich je eine Schnur zum Besseren durchschneiden, auch wenn Renz nach dem Fischtrip kein Wort mehr darüber verloren hatte, Alles gut, sagte er nur; und die letzten Tage am Strand dann fast harmonisch, Liege neben Liege. Unsere Fahrt von Tanger nach Fes, erinnerst du dich? Renz nahm ihre freie Hand, und sie sah weiter auf die Karte, eine nicht mehr freie Hand in seinen Händen – auf den Tag, ja auf die Stunde genau siebenundzwanzig Jahre nach ihrem ersten Händehalten in einer Silvesternacht und mehr als zwanzig Jahre nach Marokko, die Kleine zwischen ihnen im Bus. Und hätte sie, statt ihrer Hand, einen Wunsch frei auf dieser Fahrt in die Stadt bei immer noch einzelnem Feuerwerk und dem klagenden Auf und Ab aus den Boxen, würde sie nicht den Erhalt ihrer Sendung erbitten, sondern nur, dass Renz’ Hände Bühls Hände wären und sie beide im verschneiten Unterried: Ein Wort war das für sie, kein Name, das andere Wort für alles. Wilfinger sagt, ich hätte mich verändert, stimmt das?
    Wenn er es sagt, wird es stimmen.
    Und was hat sich verändert?
    Ich weiß es nicht. Hast du ihn nicht gefragt?
    Ich frage dich! Sie schob die Karte in die Manteltasche, zu ihrem Telefon, im Speicher noch das Wort – es zu löschen hätte ihr Angst gemacht. Renz drückte jetzt ihre Hand, er sah sie von der Seite an. Du siehst müde aus. Aber schön.
    Ist das alles, die ganze Veränderung?
    Wer sieht schon schön aus, wenn er müde ist, sagte Renz. Nur junge Krankenschwestern, wenn sie sowieso schön sind. Wilfinger macht dir also Komplimente.
    Er hat nur gesagt, ich hätte mich verändert. Als sei ich neu in der Stadt und würde noch alles aufregend finden.
    Also auch ihn. Er stellt sich vor, dass du ihn aufregend findest. Ein gerade noch junger, aufregender Mann.
    Er sagte, ich sei jung.
    Das hat er gesagt? Wie jung?
    Wie eine, die neu in der Stadt ist, alles aufregend findet.
    Renz lehnte den Kopf an ihre Schulter. Jetzt dreht es sich im Kreis, du hast zu viel getrunken. Haben wir uns schon alles Gute gewünscht? Alles Gute zum neuen Jahr.
    Und was sagst du ihr? Kann man Marlies überhaupt noch etwas wünschen? Vila sah aus dem Fenster, sie fuhren schon durch die Stadt, eine Premiere war das, diese Silben in ihrem Mund, Marlies: im Grunde ein schöner Name, erst voll, dann offen, verklingend am Ende, so wie ihr Leben vielleicht im neuen Jahr ausklang, nur nicht melodisch, eher ein Ersticken. Renz ließ ihre Hand los und hielt damit seine andere Hand. Man kann ihr nur ein gutes Projekt wünschen, sagte er. Marlies glaubt, Arbeit würde sie gesund machen. Wilfinger hat mir zu einer Missbrauchsgeschichte geraten. Das wäre auch ein Zweiteiler, das Damals, das Heute, was wird aus solchen Menschen. Ich will Anfang der Woche nach München, geht das? Er sah sie an, als das Taxi über den Main fuhr, und dort noch Unzählige, die morgens um zwei bei Eiseskälte auf einer Brücke feierten, und sie sagte, alles gehe, warum nicht auch das, es sei ja nicht die Welt, es sei München, ein Herunterspielen der Dinge, aber nicht nur, es war auch schon ein

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