Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
Vom Netzwerk:
eigentlich ehegerechten Bett; genau genommen nur ein Sitzen auf seiner alten Tagesdecke, einer Anschaffung nach Katrins Geburt, um das Chaos zu mildern: Renz hatte die Decke einfach über Pampers und Söckchen und das damals schon gekaufte und noch völlig nutzlose Kleinkinderspielzeug geworfen, wie er nach dem Bau des Hauses über den restlichen Schutt und die nackte Erde grüne Planen gezogen hatte. Er rauchte also wieder, wie eh und je die Hand mit der Zigarette auf dem Kopf oder hinter dem Kopf, rauchen ließ ihn klug aussehen, aber auch wie den Mann vom Bau, wenn er die Zigarette ohne Hand im Mund hatte. Und, fragte Vila, gut? Sie sah ihn von der Seite an, er war etwas schmaler geworden in letzter Zeit, noch mehr der verstoßene Kirchenfürst, schmaler und auch stiller; während der Sendung von ihm nur ein Wort zu Carmen Streeler, unerträglich, und ein Lob für den Ex-Mann seiner Kranken, wie sachlich der sei, sachlich von sich überzeugt.
    Ja, sagte Renz, gut. Wir beide in einem Bett rauchend. Bist du hier in den nächsten Tagen? Er hielt ihr einen Unterteller als Aschenbecher hin, er sah auf ihre Füße; sie saß wie er im Bademantel auf dem Bett, die Beine angezogen, er rieb den großen Zeh an ihrer Ferse. Ich fahre erst in ein paar Tagen nach München, Marlies hat sich eine Privatklinik angesehen, aber will es trotzdem noch einmal zu Hause versuchen. An einem Tag geht es ihr besser, am nächsten bricht die Welt zusammen. Oder bist du nicht hier, musst du wegfahren? Renz drückte seine Zigarette aus, beide jetzt mit einer Hand an dem Ersatzaschenbecher, ihre Hand mit etwas mehr Zug, bis er losließ. Ich bin Freitag in Hamburg, sagte sie. Ich treffe dort eine gutaussehende Frau, die sich angeblich nichts aus Sex macht. Sie hat eine Website zu dem Thema und vertritt offensiv ihr Leben ohne Sex jeder Art. Nur sie ist keine Spinnerin, diese Dinge reizen sie einfach nicht, Küssen erscheint ihr als seltsame Tätigkeit, einen Orgasmus stellt sie sich so holprig vor wie das Wort. Ich möchte sie als Kandidatin gewinnen, wie findest du das? Rauchen wir noch eine? Sie hielt Renz das Päckchen hin, und er winkte ab – keine Zigarette und auch keine Unterhaltung über Sex. Dann bist du also in Hamburg, sagte er nur und gab ihr Feuer, und sie summte ein Ja – normalerweise hätte er sich auf die Frau ohne Sex gestürzt, hundert Gründe für ihre Selbsttäuschung angeführt, aber normalerweise wäre er auch schon in München oder hätte ihre Raucherei kommentiert oder überhaupt mehr geredet; selbst als sie vor der Sendung mit Katrin sprachen, kam nur wenig von ihm. Sie beide vor Renz’ Gerät und Katrin in ihrem Flusscamp, die Sonne stand schon niedrig bei ihr, ein rötlicher Himmel über dem braunen Rio Xingu und Katrin an einem Klapptisch im Freien vor ihrem Laptop, das Gesicht etwas unscharf, nur ihr am Hinterkopf getürmtes Haar kam gut herüber, und eine zweite Person, leicht abgerückt von dem Tisch, ein Indio mit Adidaskappe, Katrins Kontaktmann zu irgendwelchen Stämmen in irgendwelchen Winkeln des Deltas, Namen, die sie mit überlegenem Lächeln aussprach, bis Renz sie bat, doch von sich zu erzählen. Wie geht es dir, bist du gesund, kannst du schlafen bei all den Viechern nachts, und sie griff sich an den Kopf, rief, das tue sie die ganze Zeit schon: von ihrer Sache reden. Und ihr, wie geht es euch? Eine Anstandsfrage, während auf dem Klapptisch ein Funkgerät schnarrte, und beide erzählten sie einen Mist, der Katrin nur gnädig nicken ließ, sagten, dass alles in Ordnung sei, die Wohnung, das Haus, die Arbeit, Renz sitze an einem Zweiteiler über Missbrauch, der gute Chancen habe, wenn er sich eile, und sie selbst sammle immer mehr Talkkandidaten, auch wenn einer schon im Koma liege, und dann brach die ganze Skypeverbindung zusammen, oder Katrin hatte sie, nach einem seltenen Geständnis, schnell zusammenbrechen lassen, dem Geständnis, dass sie ihr Frankfurt vermisse.
    Renz war bewegt von diesen Worten, die er in sich gleich verdrehte, Stell dir vor, unsere Tochter vermisst uns!, und er schien noch immer bewegt zu sein – ein Mann, der ihr den Aschenbecher hielt und hoffte, dass sie in den nächsten Tagen daheim wäre, einer, den sie vielleicht weniger kannte als gedacht oder der immer noch etwas von dem Menschen hatte, der mit Zigarette im Mund allen Schutt rund um den Rohbau des Hauses wegräumte, Eimer für Eimer, der die Außenwände strich und den Rasen säte, zehn Zypressen pflanzte und einen

Weitere Kostenlose Bücher