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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Zitronenbaum, sieben Palmen und Dutzende von Oleanderbüschen, der Hand anlegte, bis er nicht mehr stehen konnte. Renz war ein Verwandler, einer, der aus Unordnung Ordnung machte und das Schöne schon sah, wo noch Chaos herrschte – den liebte sie an ihm, diesen Punkt. Als sie zum ersten Mal auf dem noch wilden Grundstück waren, die alten Olivenbäume so hoch, dass man keinen Blick hatte, stieg er auf einen der Bäume und rief: Ich sehe den See, hier wird unser Haus stehen! Danach zahlte er das Terreno mit fünftausend Mark an, ein Kauf auf dem niedrigsten Lire-Stand, der Kauf seines Lebens, inzwischen war allein das Grundstück ein Vermögen wert, was Renz egal war, ihn interessierte nur der Blick, die Schönheit, die Pracht, aber das waren Worte; im Grunde suchte er etwas, das ihn bewegte – ihr Eindruck, als sie die Zigarette ausstieß, ihn ansah, seine Augen, als hätte er noch einmal den ganzen Tag Schutt weggetragen.
    Du solltest schlafen, sagte sie und strich ihm über die Stirn: jemand mag dich, nicht alles an dir, aber etwas, darum schlaf jetzt, erhol dich für den, der dich mag – eine Reihe stummer Worte, die Renz sehr wohl empfing. Er nahm ihre Hand und legte sie ihr hinter den Kopf, und während aus den Zweigen vor dem Fenster noch leises Piepsen kam in dieser ersten milden Nacht, schliefen sie auf der alten Tagesdecke zusammen, noch in den Bademänteln, halb die Arme darin, um erst nach einer Weile alles Hinderliche abzuwerfen und das Nötige zu tun, wie sie es immer getan hatten, nur jetzt etwas hastig, als könnte es ihnen davonlaufen oder zwischen den Fingern zerrinnen. Aber sie konnten es halten, bis zuletzt, gut für beide, und erst in der Minute danach für ihr Empfinden – sie schon wieder mit Zigarette – auch ein gewolltes, fragwürdiges Tun, fragwürdig wie das in Filmen, wenn die Schauspieler, ein Mann, eine Frau, auf dem Höhepunkt die Augen zukneifen und eine Zungenspitze zwischen den Zähnen zeigen, so tun, als ob, bevor die Kamera wegschwenkt, zu abgelegtem Schmuck und einer Lesebrille auf dem Nachttisch, und am Ende, groß im Bild: das Zittern eines Perlenkettchens auf einem Buch – für sie ein hilfreicher Ausklang, sich solche Bilder vorzustellen, während Renz noch die Spätnachrichten ansah, das Hinrichtungsdrama um Osama Bin Laden, auf die Schnelle nur etwas stümperhaft animiert.
    Ruhige Maitage, schon mit Aussicht auf den Sommer, den Wechsel zum See. Renz telefonierte mit Gabriele Salaorni, dem Werftbesitzer, der Blauanstrich am Boot sollte erneuert werden, ein dunkleres, satteres Blau – eins der wenigen Dinge, die er gänzlich in der Hand hatte: seine Sea Ray –, und Vila nahm dann den Zug nach Hamburg, eine gute Strecke, um sich Fragen an die Frau ohne Sex auszudenken. Lass dich nicht infizieren, hatte Renz ihr noch hinterhergerufen, und keine Stunde später saß er in seinem zu großen Wagen und fuhr Richtung München, ein schöner sonniger Tag, sogar der Abschnitt Würzburg–Nürnberg erträglich, die Wundertütenfabrik bei Schlüsselfeld nun auf der Fahrerseite, die Sonne immer mehr von vorn – er fuhr auf das Leben zu, auf seinen See, wenn er München außer Acht ließ, und er rief im Haus an, um zu hören, wie schön es auch dort sei, das war schon auf der ausgebauten Strecke hinter Nürnberg: freies Sprechen und vom Motor kaum ein Geräusch bei Tempo zweihundert. Was macht der Garten, die Bananen? Er überfiel den Mieter, und der erzählte von den Bananen, über zwanzig neue Triebe, sagte er, man könne fast beim Wachsen zuschauen, auch zuschauen, wie sich die Blätter entrollten. Renz wechselte das Thema, er sprach über den Kilian-Siedenburg-Auftritt bei Open End, sehr professionell, Ihr alter Freund, nicht wahr?, seine Zusammenfassung, aber Bühl ging darauf gar nicht ein. Er lehnte schon das Wort professionell ab, nur die Abwandlung, Profi, sei noch schlimmer, noch lebloser, und damit kam er auf den lebendigen Garten zurück, der Jasmin wachse allmählich die Balkonecken zu, ob er etwas tun sollte dagegen. Die Verbindung wurde schlecht, ein Hin und Her wie über Kontinente. Von mir aus, rief Renz. Aber so, dass Vila es nicht merkt! Sein unfreiwilliges Aufwiederhören; danach nur noch Auto fahren, bis er genau vor Marlies’ Wohnhaus eine Parklücke fand, für ihn schon der bestmögliche Münchenanfang.
    Und der Abend verlief dann auch, als sei ihr Tumor nur ein lästiger Verwandter, dem man mit ironischer Höflichkeit begegnen kann, Marlies rauchte sogar in

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