Liebe in groben Zügen
Tätigkeiten vorkommen, und sie sagte, entfernt hätten sich allein die anderen mit ihrem ewigen Sex, nicht sie, und ich kam auf ihr Kleid, das ziemlich sexy sei, und ihre Antwort: Es ist nur schön. Ich werde das Schöne in diese Sendung tragen! Langweilt dich das Thema? Vila schwankte noch immer, wie Bühl war und was er wollte (während Renz zum ersten Mal verstand, dass es für Marlies leben hieß, mit ihm zu schlafen), ein Schwanken, das er noch verstärkte, als er ihr riet, der Frau, die keinen Sex wollte, einfach zu glauben, wie man einer Nonne glaubt. Nur sehen Nonnen nicht so gut aus und verbinden sich in Gedanken mit Jesus, erwiderte sie, und Bühl machte als Hausmieter einen Sprung zum wuchernden Jasmin: Ob er die Balkonecken freischneiden dürfe. Und von ihr das erste entschiedene Nein.
VIER Tage blieb Renz in München, für Marlies Mattrainer ein einziger, erschöpfender Abschied; keine Stunde nachdem sie vom Balkon aus den schwarzen Jaguar hatte wegfahren sehen, fiel sie in sich zusammen, wie eine Zabaione, die ihr Renz noch am Abend zuvor gemacht hatte, ohne den Eischaum energisch genug zu schlagen. Ein Zusammenbruch, als sie gerade Belege aus einer Plastiktüte auf ihrem Schreibtisch leerte, die Steuer und damit auch irgendwie das Leben in Angriff nehmen wollte – plötzlich keine Luft mehr und auch ein Nachgeben der Beine, zum Glück lag das Telefon auf dem Tisch; wenig später schon die Ambulanz, drei freundliche junge Helfer, und noch am selben Tag der Einzug in die Privatklinik im Süden der Stadt, den Ort, den sie für die letzten Wochen oder Tage gewählt hatte, die ja gar nicht mehr ihre Wochen oder Tage würden, sondern die der Krankheit.
Vor ihrem Zimmer alte Bäume, ein begrenzter Blick, das Zimmer selbst, bei aller Technik, wohnlich, etwa ein Schrank mit bayerischen Ornamenten, nur dass sie kaum Dinge dabeihatte, einen Jogginganzug, etwas Wäsche, ihren Bademantel und ein paar Bücher, auch wenn lesen eigentlich keinen Sinn mehr machte, ebenso das Anschauen eines Films; sie hatte auch ein paar DVDs dabei, die Billy Wilder Collection, ein Geschenk von Renz, um ihre Videokassettensammlung zu ergänzen oder irgendwann abzulösen, aber irgendwann, das war jetzt: in diesem Privatklinikzimmer mit den Bäumen vor dem Fenster. Und auch ein weiteres Mal Manche mögen’s heiß von vorn bis hinten könnte die Bilder nicht so festigen, dass sie auch nur wenige Minuten, etwa für die Länge der Schlafwagenszene, ohne Sauerstoffzufuhr in ihr überstehen würden. Und doch hatte sie den Film dabei, eine nüchterne Form von Verzweiflung oder verzweifelte Nüchternheit, Letzteres war ihr näher. Erst am dritten Tag schickte sie Renz eine Nachricht, sie beschrieb ihre Lage, nannte die Klinik ein snobistisches Hospiz und bat ihn um einen Besuch noch vor dem Sommer, was recht vage klang, aber im Grunde eine dringende Bitte war, die dringende Bitte, doch bei ihr zu sein, bevor sie den Verstand verliert. Und von Renz schon eine Stunde später das Versprechen, sie noch einmal im Mai zu besuchen, nur war der Mai ein langer Monat, das ließ sich leicht an den hervorstehenden Fingerknöcheln ablesen. Ihr Zustand, er verschlechterte sich von Abend zu Abend, sie nahm nur noch Kindernahrung zu sich, Püriertes aus Möhren oder lauwarmes Apfelmus, alles, was sie selbst nie einem Kind hatte zubereiten können, und es fiel ihr immer schwerer, deutlich zu sprechen oder einfach die zu sein, die sie war, bei dem, was ohne Pause in ihre Venen tropfte – keine Tagesreste mehr, Lebensreste schwärmten jetzt in den Halbschlaf ihrer Nächte aus.
Und als Renz schließlich anrief – nach langem Zögern, wie vor dem Anruf in einem Todestrakt, um einer jungen Delinquentin sinnlos Mut zu machen –, konnte Marlies nur noch flüstern; alles Drängen in der Stimme war ihr Drängen, gehört zu werden, etwas, das auf Renz übersprang, ihn selbst flüstern ließ, allein in der Wohnung, Vila bei Wilfinger, es ging um ihre Kandidaten, ein Flüstern, bis Marlies am Ende ihm Mut zusprach, Alles wird schon irgendwie gut sagte, auch wenn alles definitiv schlechter wurde, eine Verkehrung, die ebenfalls übersprang. Ich bin bei dir, rief er ihr noch als Letztes zu (das I’ll be with you, das Hauptmann Kampe für sich als Verwundeten erfunden hatte, dagegen ein beruhigendes erstes Wort), und die Stille nach dem Auflegen für ihn kaum erträglich.
Renz saß auf dem Bett und glaubte, an der Stille zu ersticken, also holte er sich Katrins
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