Liebe in groben Zügen
solche Momente, nur Hände, die etwas tun, den anderen von einer Terrasse ins Haus lenken, an den Ellbogen, an den Hüften, alles sehr langsam, auch das Ausziehen von Bluse und Jeans, noch im Stehen in der Tür zum Bad. Bühl tippte an ihre Reverso und zeigte zwei Finger: zwei Minuten um zu duschen, mehr gab er ihr nicht, er hatte auch die Zeit in die Hände genommen. Sie war in ihrem Haus, aber seinem Raum, auch noch als er oben auf ihrem Bett nach kaum mehr als zehn Worten, wo ist dein Gepäck, wie war der Flug, hast du Hunger, zwischen ihren Beinen lag und sie sich liebten und es nur noch galt, auch zu glauben, dass sie sich liebten, bis Glauben und Lieben eins würden. Und auch sie sprach kaum das Nötigste, ihr Sprechen, es bestand aus Bewegung und Atmen und manchmal einem Du, als hätte sie das kleine Wort gerade erlernt und würde es zögerlich anwenden; dazwischen nichts als sein Tun in ihr mit einem Geräusch wie Kauen bei leicht offenem Mund. Und ihr Verlangen nach Nähe, allem auf einmal mit ihm, dem Geliebten, nahm mit der Nähe nicht ab, im Gegenteil, es wuchs noch an, beglückend und erschreckend zugleich. Das war sie, die hier liebte und immer noch mehr wollte, also bat sie ihn zu kommen, damit es gut wäre für den Moment, eine Bitte wie um einen Besuch, wenn man krank ist, bitte komm, halt meine Hände, rede mit mir, Geflüstere von ihrer Seite, aber nicht filmreif, eher stammelnd, ohne Konzept, und doch fordernd, bis er sich aufstemmte, ganz der ihre, ihr heimlicher Mann, und sie das Ficken sah – weiß Gott nichts Neues, was da zwischen ihnen passierte (und Spatzen seit jeher vom Dach pfeifen), nichts, das sie nicht mit Renz schon Hunderte von Malen getan hätte, aber etwas anderes: als würde es in einer geschlossenen Welt geschehen, zu der sie sich endlich Zutritt verschafft hatte. Am Ende presste er das Gesicht an ihres und schwemmte ein Glück in sie, das sich noch in ihr verteilte, als sie schon halb schlief, seinen Mund in ihrem Nacken. Und am anderen Morgen ein Aufwachen, als seien nur Sekunden vergangen, wie nach Renz’ letztem Blick vor dem Kaiserschnitt, als das Narkosemittel schon in die Vene rann, und dem wieder Zu-sich-Kommen in einem Nebel, Renz neben dem Bett, ein Teil des Nebels, das winzige Kind in den Händen. Wie geht es dir, fragte Bühl, und sie griff in sein Haar, bevor sie ins Bad lief. Dort im Spiegel dann eine Frau mit erwachsener Tochter und Mädchenwünschen.
Vila liebte und sah sich gleichzeitig zu, ein erstauntes Auge, das sich weder schließen oder abdecken ließ, das immerzu verfolgte, wie sie in den unverhofften Wahnsinn ihres Lebens trieb, in der eigenen Nacktheit versank. Am späten Vormittag liebten sie sich im Gästezimmer, auf dem Bett nur das Laken, wie eine dritte, kühle Haut; ein schon sommerdurchfluteter Tag, in den Oliven die Hysterie der Zikaden. Sie lag auf dem Bauch, das Gesicht in der Armbeuge, ein Bein angezogen, Bühl küsste die Kniekehlen, ihre Beine, den Arsch, er nahm sie mit der Zunge, der Nase, den Fingern und am Ende auch so, wie es immer schon war zwischen Mann und Frau. Sie schliefen miteinander, vorsichtig im Dämmer hinter geschlossenen Läden, tatsächlich eine Art Schlaf, irreal, bis auf ihre Tränen, die Erlösung der Augen nach einem strömenden Kommen, wie ein Regenguss in ihr. Sie weinte allein, das kannte sie, aber Bühl hörte nicht auf, sie zu streicheln, bis es vorbei war, das kannte sie nicht. Und vielleicht wollte sie deshalb etwas zu essen machen, ihn und sich bewirten, statt essen zu gehen, auch wenn nicht viel im Haus war, nur die üblichen Vorräte, mehr renzsche Reserve als ihre, doch sie machte daraus das ihre, eine Sugokreation aus Dosenthunfisch und kleinen süßen Tomaten, gerösteten Brotwürfeln und Thymian aus dem Garten – das erste Essen auf der Terrasse in dem Jahr, und dabei blieb es auch in den nächsten Tagen, kein gemeinsames Ausgehen, nur die eigenen Blicke.
Sie beide und das Haus. Vila kaufte schon vormittags ein, seit jeher ihre Zeit, in den Ort zu gehen, Bühl blieb im noch schattigen Garten und suchte wieder Anschluss an Franziskus, mal mit einer halben Seite, mal nur mit wenigen Zeilen. Und in den Mittagsstunden das Bett, die geschlossenen Läden, das Küssen, das Wollen; später schwammen sie im Pool, jeder seine Bahnen, und nach der Tageshitze kochten sie, einfach, nicht aufwendig, wie auch ihr Lieben nichts Aufwendiges hatte. Sie waren sich nah, das reichte, nah sogar wenn Renz anrief. Und er
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