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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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dass er geraucht hatte, mit seinem früheren Freund, jahrelang sicher. Du und dein Mann, ihr solltet die erste Zeit für euch haben, sagte er. Ich werde um den ganzen See gehen, vielleicht auch zu der Insel schwimmen, nachts, wenn keiner mich sieht. Wollen wir hier oben schlafen? Er machte noch einen Zug und legte sich dann auf die Polster und warf die Glut vor das offene Zelt auf den Boden, wo sie langsam erlosch. Ja, wir schlafen hier, unsere letzte Nacht für diesen Sommer, der kaum begonnen hat, halte mich: Worte, die sie nicht sagen musste, die sich anders Luft machen; ein Liegen Brust an Brust, ihr Gesicht an seinem Hals, keine Haltung, um einschlafen zu können, ein Panikgedanke, der noch aufkam, aber kraftlos, mehr ein Reflex. Dann nur noch ihr und sein Atem, nicht ganz synchron, aber synchron genug für etwas dem Schlaf Verwandtes, Stunden auf dem Grat zwischen Wünschen und Träumen, bis auf dem See die Strömung von Norden nach Süden einsetzte, mit ihrem Rauschen von Abertausenden aus dem fjordigen Norden in den Südteil gedrängter Wellen, und der See langsam Farbe bekam, während sie sich umarmten, dunkles Blau wie übersät mit weißen Blüten, ein Schaumkronenteppich. Danach nur noch das Beruhigen durch seine Hände, wie man aufgelöste Kinder beruhigt. Ich gehe dann, sagte er, als die Sonne schon hoch über den See schien, genau auf die Bergspitze gegenüber, für die Einheimischen nur der Nasenmannberg, für sie nur das Profil einer schlafenden Frau. Und wenn ich zurück bin, hängen meine Badesachen auf dem Eckbalkon, sagte er noch.
    Ein verabredetes Zeichen wie im Märchen, einziger Halt, als sie allein war, erst im Haus, dann im Garten und wieder im Haus. Es gab nicht mehr viel zu tun, er hatte fast alles getan; sie konnte noch die Liegen abspritzen und die aufgeraute Marmorkante um den Pool von kleinen Rostflecken befreien, sie konnte alle Topfpflanzen düngen und im Haus die Larvennester in den oberen Wandecken wegnehmen; sie konnte die Bäder putzen, die Spülmaschine ausräumen und ihr Bett frisch beziehen, den Müll der letzten Tage wegschaffen und überhaupt jede frische Bühlspur beseitigen, womit die Spuren in ihr nur tiefer wurden. Gegen Mittag, als sie vor dem Vergrößerungsspiegel ihre Augenbrauen zupfte, ein Anruf von Renz aus dem Wagen, Ich bin es, hörst du? Er fuhr bei Musik, ein melancholisch aggressives Klavier, sie verstand nur, dass er vorankam, schon hinter Innsbruck war, sein neuer Rekord im Urlaubsverkehr. Reservier unseren Tisch und mach dich schön, rief er noch, und sie ging mit dem Telefon und dem Spiegel ins Gästezimmer, auf das Bett der vergangenen Tage, auch frisch bezogen, ein Sommerlaken.
    Ihrer beider Tisch, das war der Tisch unter dem Balkon mit Bühls Badesachen, wenn er zurück wäre von der Wanderung, und schön machen hieß, dass Renz mit ihr schlafen wollte, erst mit ihr essen, dann trinken, dann mit ihr schlafen. Und sie wusste nicht einmal, wie sie ihm gegenübertreten sollte, wenn er vom Parkplatz die Treppe herunterkäme. Sie lag im Halbdunkel, die Läden nicht so geschlossen wie in den Tagen zuvor, auf den Brüsten ein Lichtstreif, auch auf ihrem Geschlecht inmitten der Haare, die heute noch toleriert werden, einem Mädchenflaum wie aus dem Jahr ihrer ersten Periode, teils von schonender Creme, teils von behutsamem Schneiden, inzwischen alle zwei Wochen, weil ihr Haar dort eher struppiger wird, nicht feiner – das Älterwerden schert sich nicht ums Design, dafür muss sie schon selbst sorgen und hat es auch wieder, in Frankfurt noch kurz vor der Abreise, aber zum ersten Mal mit einer Scheu davor, ja sogar Widerwillen, als würde sie mit den Haaren auch eine Zeit abschneiden. Sie drehte sich zur Wand, darauf noch Flecken von Schokoladeneisfingern, als Katrin hier ihr kleines Kindersommerreich hatte; die kurze Nacht holte sie ein, fast schlagartig ein Strom von Bildern, und das Erwachen daraus wie ein Standbild – am Bettrand Renz, ihr großes Badetuch um den Bauch, eine Hand mit gespreizten Fingern über dem Herzen, seine Pose nach dem Schwimmen, leicht platt, aber menschlich, wie alles Menschliche an ihm ins Platte geht, wenn er Musik hört etwa, gleich gerührt wird, oder Geständnisse macht mit Kinostimme. Hinter Bozen war alles frei, sagte er, und seine Herzhand griff um ihre Rippen, in ihr Kreuz, um die Hüfte.
    Es ist später Nachmittag, von der Kirche kleine, ermunternde Glockenschläge, vom See das Geräusch eines Boots mit starkem Motor. Ihre

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