Liebe in groben Zügen
Leben für dich eitel Sonnenschein: der fährmannsche Vorschlag, unvergessen, während die anderen kaum das Wörtliche schafften, Es erstrahlten dir einst leuchtende Sonnen und Ähnliches ablieferten; und Mörike war vor lauter Freiheit nur Wohl ehmals flossen dir die Tage heiter in den Sinn gekommen. Eitel Sonnenschein. Knapper, treffender ging es nicht. Nur Fährmann hatte dieses Selbstgespräch um das Ende einer Liebe in seiner versteckten Grammatik erfasst, Lebe wohl Mädchen, Catull hält das schon aus, er wird dich nicht suchen, dich um nichts bitten gegen deinen Willen, du aber wirst leiden, wenn keiner mehr was von dir wissen will, Verbrecherin, weh dir, was bleibt dir denn vom Leben? Wer wird nun zu dir gehen, wer dich noch hübsch finden? Wen wirst du nun lieben, wessen Eigen dich nun nennen? Wen küssen? Wem die Lippen nun zerbeißen? Cui labella mordebis? Doch du, Catullus, halte aus, bleib hart, at tu, Catulle, destinatus obdura – Catullchen, hieß es bei Mörike, ein Verkleinerungsschrecken, als würde Vila ihn Bühlchen nennen im Bett.
Bühlelein, hatte ihn Cornelius mitten auf dem Untersee einmal genannt, Bühlelein, ich ertrinke!, und er bot seinen Rücken an, war ihm ein lebendes Floß, bis zu der Schilfbucht, die ihnen gehörte. Dort legten sie sich auf die Handtücher, halb unterkühlt, und ließen sich von der letzten Sonne trocknen und machten Witze über ihre kleinen, wie in sich versteckten Schwänze, denen man nicht ansah, dass sie auch anders konnten. Sie zogen sie in die Länge und malten sich aus, was für Frauen sie später damit beglücken würden, wenn sie beide auch um vieles glücklicher wären als im Moment, gänsehäutig auf ihren Internatshandtüchern, noch weit entfernt von allen Frauen, aber längst mit stumpfem Verlangen zwischen den Beinen, ohne auch nur zu ahnen, dass dies schon einer der glücklichsten Momente war. Du hast mich gerettet, hatte Cornelius an dem Abend erklärt, was willst du dir wünschen? Und er wünschte sich nur, dass sie für alle Zeiten Freunde blieben, Weggefährten wie Franz und seine Lieblingsbrüder, und Cornelius hatte sich zugedeckt und feierlich Abgemacht, Bühle gesagt.
DER Benacus – schäumend an dem Tag, als Franz und Klara sich endlich wiedersehen, für ihn mehr ein Wiederhören. Es ist schon dunkel, er sitzt im Garten vor dem Dormitorium der Schwestern von Peschiera, das Haus aus Holz und Lehm, der Boden in den Kammern aus Flußkieseln, darauf die Schlaflager. Franz hört auf das Rauschen des Sees, die Wasser noch aufgewühlt nach einem klaren windreichen Herbsttag. Er hat die Füße im Weinlaub, um die Schultern ein Schaffell, in seinem Bart die Mücken, er läßt sie gewähren, ein Geruch hat sie angelockt, Franz kaut an getrockneten Feigen, ein Weichmalmen mit der Zunge gegen den Gaumen, im wunden Zahnfleisch nur noch Stümpfe. Er schluckt den süßen Brei, als die Brüder, die ihn begleitet haben, Klara auf einer Trage aus Ästen und Schilf zu ihm bringen. Sie hat sich geweigert, ihn schon am Nachmittag zu sehen, sie wollte kein Licht und blieb auf ihrer Kammer. Die Brüder setzen die Trage ab und ziehen sich zurück. Franz bewegt die wunden Füße im Laub, was soll er sagen, wenn sie nichts sagt; er hört ihren Atem, als hätte sie Teig gerührt, und dann wagt er einen Blick, mit allem, was die Augen noch schaffen, im Halbdunkel oft mehr als bei Licht – die Brüder haben Späne und trockenes Olivenholz angesteckt, ein kleines Feuer vor ihrem Schlafplatz. Sein Schein fällt auf Klaras Hände, gefaltet unter dem Kinn, Knöchelchen und eine Haut wie Pergament, der Schein fällt auch auf ihr Gesicht: das einer federlosen Möwe, die ihn anblickt. Franz wendet den Kopf, er sieht in die Flammen, für seine Augen weniger schmerzlich. Meine liebste Schwester, sagt er. Warum will sie dem Herrn vorgreifen, eher bei ihm sein, als er es verlangt? Warum läßt sie ihren Leib verhungern? Ohne der Hände Werk können wir nicht dienen, also brauchen sie Nahrung. Wir fasten, damit das Herz rein wird, nicht damit es aufhört zu schlagen. Warum hat sie San Damiano, ihr Haus, verlassen und ist gewandert wie ein Mann? Um hier zu sterben wie ein altes Weib? Franz schiebt sich eine neue Feige in den Mund, die letzte, die noch vom Tagesmarsch im Beutel war, er malmt wieder, er wendet den Kopf zurück, bis ein Stück der Trage erscheint, zwei weiße Füße.
Mein Bruder sieht mich nach langer Zeit wieder und stellt nur Fragen, erwidert Klara, den Kopf etwas
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