Liebe in groben Zügen
groß Hollister, hörte sie ihn sagen, als sie das Gartentor erreichte, fast die Grenze für das schnurlose Telefon. Und Hollister ist ja nur ein anderes Wort für Abercrombie – Renz, über Labeldinge immer gut informiert, sein Seearztheld ging mit jeder Mode –, beides eine Art Mantra, sagte er, inhaltlich und vom Klang her dasselbe, und ich will kein Mantrahemd für das Boot, Ende meines Besuchs in der Hollister-Grotte. Und du? Er machte eine Pause, etwas länger als nur zum Atemholen, also war sie jetzt an der Reihe, und sie wollte schon fragen, ob er sich von einem Hollister-Shirt versprochen habe, leichter über Marlies’ Tod hinwegzukommen oder sich wieder so jung zu fühlen wie an ihrer Seite, als sie Bühl zwischen den Steinmauern am Ende der Zufahrt sah. Er kam aus dem Hohlweg und schien unentschlossen, ob er zum Haus gehen sollte, und sie winkte ihm, in der anderen Hand das Telefon. Und du, wo bist du, fragte Renz. Ich? An der Einfahrt, dort liegt noch Zeug, das kommt morgen weg, dann ist der Parkplatz frei – das richtige Stichwort. Renz kam auf den Jaguar, frisch aus der Inspektion, alles in Ordnung, ein funktionierendes Auto und zeitlos schön, nicht diese Bügelfalten von Mercedes an den Seiten. Wie ist das Wetter? Seine Schlussfrage, genau rechtzeitig, Bühl ging die Zufahrt hinunter. Perfekt, sagte sie. Und fahr vorsichtig! Ihre finale Formel, dann konnte sie ihn wegdrücken, ihr anderes Leben fortsetzen, sich noch sammeln dafür, auf die eigenen Füße schauen, die lackierten Zehen bewegen.
Bühl kam an ihr vorbei, er streifte sie mit dem Arm, Stell keine Vermutungen mehr an über mich, sonst liebe ich alles an dir, hat dein Mann angerufen, ist er schon unterwegs? Fragen, die nicht gleich eine Antwort verlangten, nur überhaupt, und er ging auch einfach weiter, mit geradem Kreuz in den Garten hinunter, ein Gang, der sie sekundenlang fassungslos machte: dort ging der, der sie liebte. Und als sie auf die Terrasse trat, räumte er schon den Tisch ab, sein Hemd über der Schulter, und sie half ihm dann, die Küche in Ordnung zu bringen. Renz kommt erst morgen, sagte sie beim Anstellen der Spülmaschine. Gehen wir aufs Dach? Sie holte zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank, und oben, in den Polstern unter dem Zelt, öffnete sie eins der Päckchen aus der Stange Zigaretten, die Bühl nur auf ihren Schrank gelegt hatte, nicht weggeworfen, zog eine Zigarette heraus und steckte sie an, während er einfach Zeuge war, besser als jedes Feuergeben. Sie rauchte und sah auf den See; in den Dachfliesen noch die gespeicherten Sonnenstunden, wie in ihr die letzten Tage und Nächte. Sie saß nur in dem Hemd da, das er über der Schulter getragen hatte, er nur mit Handtuch um die Rippen – noch zu viel. Sie hatte Lust auf seine Nacktheit. Und wollte, dass er auf ihrem Bauch kommt, aus dem Nabel einen kleinen hellen Teich macht. Sie wollte selbst Zeugin sein, sehen, wie er sich erschöpft, auch wie er sich danach aus der Affäre zieht, sie halb beschämt, halb amüsiert abtrocknet. Das alles wollte sie und dass sie selbst gar nichts müsste, nicht einmal kommen. Und dann hatte sie auch Lust, eine schmerzliche Lust, mit ihm über die Zukunft zu reden, was nach dem Sommer würde oder im nächsten Jahr – ihr ist aufgefallen, dass sie noch nie über das Alter gesprochen haben, seines und ihres. Jeder ältere Mensch erschreckt einen jüngeren, auch wenn er nur einen Tag älter ist. Und doch wird sie sich nichts in die Lippen spritzen, in die Wangen, die Stirn, die Brüste schon gar nicht. Und auch Laufbänder, Rudermaschinen und Ähnliches schließt sie aus, desgleichen Ayurvedakuren oder T-Shirts ihrer Tochter; kein Jugendwort auf der Brust, allenfalls Tönung im Haar, damit müsste er zurechtkommen, wie sie bei ihm mit den Franziskusdingen und seinem sonstigen Leben, über das sie nicht einmal Vermutungen anstellen darf. Schlafen wir einfach nebeneinander, sagte sie, immer noch die Zigarette in der Hand. Jetzt bist du noch da und morgen Abend schon nicht mehr. Wo wirst du sein? Sie lehnte sich an ihn und griff in sein Haar, er hatte ihr längst gesagt, wo er in den nächsten Tagen sein würde, auf der anderen Seeseite, um zu wandern; noch war er bei ihr, mit seinem Haar, seinem Mund, Schultern und Armen, und zerrann doch schon zwischen den Fingern. Stört es dich, wenn ich rauche? Eine Verlegenheitsfrage, und seine Hand kam herüber, er nahm ihr die restliche Zigarette ab, machte die letzten Züge, und es war klar,
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