Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
Vom Netzwerk:
Frau. Er schwamm zu dem Boot an der Boje, der Sea Ray mit dem Namen no comment , in kleinen Buchstaben am Rumpf, kein Kommentar zu dem Leben hier, zu ihrer Sommerflucht; eine gute Strecke hin und zurück. Danach das Frühstück und sein Arbeiten und am späten Vormittag die Erlösung vom Denken, so beständig wie die schönen Tage. Und war das Boot wieder an der Reihe, die Fahrt mit Renz, blieb immer noch das Fernglas – Vila auf der Liegefläche beim Auslaufen, ihr ruhiges Eincremen der Beine bis an das V des Anzugs, die plötzliche Heckwelle, das Bäumen des Boots, sein Stechen in den See, schließlich das Anhalten in der Weite, ein leichtes Schaukeln im Dunst. Und abends das Verfolgen der Rückkehr, das grüne und rote Licht in der Dunkelheit, der verebbende Motor an der Boje, der Kegel einer Lampe, wenn sie das Boot vertäuen, die Plane schließen; zuletzt noch das Geräusch des Jeeps beim Hinauffahren durch den Hohlweg, eigentlich nur für aufmerksame Hunde hörbar – was für ein Leben war das? Es brauchte eine ganze Stunde, bis er wieder bei sich war, nur auf ein leeres Blatt sah, und noch einmal eine Stunde, bis er dem reinen Weiß auf dem Blatt ein Ende setzte.
    Die zwei Brüder, die Franz begleitet haben, er hat sie weggeschickt, es müsse auch allein gehen, seine Worte zum Abschied, nicht ganz die Wahrheit. Es ist gut, sein Herz zu erleichtern, aber der Beichtvater soll mit der Last fortziehen, lebe wohl, mein alter Leo. Er also nun einziger Bruder unter den Schwestern von Peschiera. Alle helfen sie, daß Klara zu Kräften kommt, sie fangen Fische, kochen Suppen, schlachten ein Huhn. Und auch Klara hilft, sie läßt sich von Franz füttern. Wenn die anderen in ihren Kammern Gebete murmeln, gibt er ihr Brot mit Honig oder weichen Ziegenkäse. Klara hat schon wieder Farbe im Gesicht, auch in den Augen kein Fasten mehr, ein Blicken: ich sehe, wie du mich siehst. Sie sitzen im Garten vor dem Dormitorium, aus blankem Himmel die Herbstsonne. Mein liebster Bruder, sagt sie, deine Schwester hat getan, was du verlangt hast, noch ein paar Tage, und sie wird Mühe haben, ihr Gewand zu schnüren, darum kann man sich schon umhören nach einem Karren und einem Esel, damit wir an den Mincio fahren, solang das Wetter hält. Gibt es noch Feigen mit etwas Käse, den du mir hineindrückst? Nichts mag sie lieber, und er macht ihr die Feigen mit Ziegenkäse, dann hat sie genug, schickt ihn weg, auch sie will allein sein, und er hört sich nach Karren und Esel um, ohne zu sagen, für wen. Also muß er bitten und betteln, in und um das kleine Peschiera, und womit er dann ankommt nach drei Tagen, sind ein Karren und ein Eselchen zum Gotterbarmen, nur für Klara der beste Karren und beste Esel, den sie je gesehen haben will. Ein milder Herbsttag, sie auf noch weichen Beinen, aber um die Knochen schmiegt sich schon wieder ein Fleisch, sie schnürt ihr Gewand, Franz hilft ihr auf den Karren, dann geht es an den Mincio. Und dort, im Schilf, ihr Blick unter den blonden Wimpern – er soll sie füttern, aber nicht nur. Franz hat trockene Aprikosen und Brot dabei, ein Frangipani, das vermengt er mit den Aprikosen und formt kleine Kugeln, die schiebt er ihr in den Mund. Sie hat kaum mehr Zähne, nur spitze Stümpfe, die ihn beißen. Es ist warm im Schilf, Schweiß sucht sich in Rinnsalen einen Weg zu den Stellen, die Gott gemacht hat, damit seine Schöpfung weitergeht, ein Schweiß, der die Stellen salzt. Franz will aus der Haut fahren, ein anderer sein, Fischer oder Steinmetz, oder gar nicht mehr sein, ausgelöscht. Klara sieht ihn an, ein Blick aus wasserblauer Tiefe, schamhaft und listig zugleich. Ihr Mund, sonst verschlossen, will noch eine der Kugeln aus Brot und Aprikosen, die Stirn ist faltenlos wie die einer Toten, das macht sie so endgültig schön, in den Augen ein stiller Überschwang. Und dann bewegen sich die Lippen, sie will etwas sagen, ihm ins Gesicht, also beugt er sich über sie. Diese Stunde ist unsere Stunde, sagt Klara. Wir nehmen uns die Zeit, unsere einzige Sünde. Nur jetzt, kein Vorher, kein Später. Jetzt sind wir eins wie der Gekreuzigte mit seinen Nägeln. Und warum zittert mein Bruder? Sie nimmt Franz die Teigkugel mit den Lippen ab, sie zerrt an ihrer Kutte, die Fetzen fliegen; im Schilf ein Lispeln, der Wind vom Benacus, dazwischen zweifaches Atmen, sie beide unter dem Karren, er klein, verfilzt, nur noch Menschlein, sie gestreckt und glänzend, wieder höhere Tochter. Und das Menschlein weiß nicht, wie

Weitere Kostenlose Bücher