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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Herz presst, keine Luft mehr bekommt, und sie, wie sie neben ihm kniet, um Hilfe ruft, sein Hemd aufreißt, ihm Luft zufächelt, sinnlose Dinge tut, anstatt sein Herz zu massieren oder ihm noch zu sagen, dass er der Mann ihres Lebens gewesen sei.
    Erst auf der Zufahrt lief sie voraus und machte die Lichter im Garten an – noch immer die kaputten Bewegungsmelder, die knirschenden Kacheln – und lief weiter zur Haustür, ein Vorsprung, der reichte, um oben im Zimmer an ihre Mails zu kommen. Es brauchte immer eine Weile, bis die Startseite erschien, ihr Chaos reichte bis in die Festplatte, verstopft mit allem, was in den letzten Jahren hin- und hergegangen war, jede kleine Anfrage von Elfi, von Heide, von Marion und Thomas wegen irgendeiner Einladung, jedes Foto, das Katrin geschickt hatte oder das sie bereithielt, weil es einen guten Moment zeigte, mit Renz auf dem Boot, sie beide winkend, seht, wie nah wir uns sind, aber auch jede Abstimmung mit Kandidaten für ihre Mitternachtstipps, die jetzt in den scheintürkischen Händen lagen, eine Datei, die sie längst hätte löschen können wie auch die meisten anderen – nur bilden sie eine Art Wagenburg aus Dateien um die eine mit den bühlschen Mails, die sie nicht gelöscht hat und die jetzt einfach kuf heißt, klara und franz. Sie zog sich aus, den Schirm im Blick, die Kleidung klebend auf der Haut nach dem Anstieg. Und endlich die Passwortpunkte, sie hatte das Wort vor dem Sommer geändert, es hieß jetzt Unterried, alles Weitere nur noch Sekundensache, dann hatte sie Gewissheit, Bühl lebte und dachte an sie, aber seine Nachricht nur kurz, ein Vorschlag, sich in den nächsten Tagen an der Kapelle von Campo zu treffen, schreib mir, wann, ich werde da sein! Das Ausrufezeichen der Ersatz für einen Namen oder Worte, die zu viel wären. Und dann gab es noch eine Katrinmail, das passte gut, da konnte sie mit dem Gerät nach unten laufen, eine Botin, keine Geliebte.
    Renz hatte schon Wein, Gläser und Eiswürfel auf die Terrasse gebracht, sich auch schon ausgezogen wie sie, er stand im Pool, Hände am Bauch, und hatte etwas von dem alten Franzosen in Handschellen, nur ohne Handschellen. Unsere Tochter hat sich gemeldet! Sie hob das Notebook wie zum Beweis. Katrin ist gar nicht mehr an ihrem Fluss, sie ist wieder in Florida und würde ein paar Tage kommen, ohne Jeff, der ist schon Geschichte, wir sollen sie vom Flughafen abholen. Aber mit dem großen Wagen, schreibt sie, nicht mit dem Jeep. Unser Luxustöchterchen! Vila wandte sich ab, ihre Faust ging zum Mund, Anflug von Rührung durch ein albernes Wort, erst nach Sekunden weggedrückt, erledigt, und sie drehte sich wieder um und füllte das Glas neben Renz’ Liege mit Wein. Er trank ihn eiskalt, also gab sie noch Eiswürfel ins Glas, zwei glitten ihr aus der Hand und zersprangen auf den Fliesen, Splitter flogen bis in den Pool, einer traf Renz im Gesicht. Mein Auge, rief er und kam aus dem Becken, fast eine Flanke, und eilte mit nassen Füßen ins Haus, und die Wasserspuren auf dem Boden, die waren ihr so egal wie sein Auge: eine ganz neue Gleichgültigkeit. Sie ging wieder nach oben, ihr Gerät im Arm – oft ist es der Zufall, der sie weiterbringt, wenn sie selber nicht weiterweiß, und warum nicht der Splitterflug eines zersprungenen Eiswürfels?
    Was ist mit dir, seit Wochen schon, was bitte, rief Renz aus dem unteren Bad, und sie drehte sich um auf der Treppe und sagte mit einer wie gestohlenen Gelassenheit, dass es etwas Neues in ihrem Leben gebe, etwas anderes. Sie wollte noch mehr sagen, aber mehr brachte sie nicht heraus, nicht auf der Treppe und nicht auf dem Weg in ihr Zimmer. Dort schloss sie die Tür hinter sich. Ich will gehen, lass mich gehen, verschwinde: Wie bringt man das über die Lippen? Es ist vorbei, werd ohne mich alt, stirb allein – niemand kann das aussprechen, der um den anderen weiß, seine Angst kennt. Es gibt Worte, die für immer trennen, sie von Renz, sie von Bühl, aber auch sie, die etwas ausspricht, von der, die lieber schweigt.
    Eine Nacht ohne Abkühlung, über den Bergen auf der anderen Seeseite Wetterleuchten, die ersten Anzeichen für ein Ende der vollkommenen Tage. Renz war aufs Dach gegangen, er wollte dort schlafen, oben ging immer leichter Wind bei geöffneten Zeltseiten, aber der Boden gab noch solche Wärme ab, dass ihm das Atmen schwerfiel. Er lag nackt auf den Polstern, das Laken zerwühlt vom häufigen Umdrehen, mal das Gesicht zum Rückteil, vergraben, mal zur

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