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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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besonderen Tag, und nach einer Pause, wie um Kraft zu sammeln, alle Kraft, die nötig ist, sich einem anderen zu erklären, sagte er Bitte bleib – noch zwei knappe Worte, die Betonung ganz leicht auf dem Bleib, und sie blieb.
    Stimmen und Lachen von unten hatten jetzt etwas Unwirkliches, wie die Stimmen aus einem Fernseher innerhalb eines Films. Sie ging das alles nichts an, nur gab es keinen Schutz davor, nicht einmal beim Küssen. Bühl wollte mit ihr schlafen, was sonst, im Grunde auch ihr Wunsch: etwas mitzunehmen von ihm an den Tisch, wo längst das Dessert stehen würde, eine Zabaione, wie man sie kaum noch bekommt, schaumig süß, aber nicht zu süß, ihre dann schon eingefallen. Nein, sagte sie, noch halb an seinen Lippen, wir reden, und danach werde ich gehen. Was willst du von mir? Sie sah auf ihre Uhr, die alte Reverso, aber mit neuem, geflochtenem Lederband, darin feine Goldeinlagen, Katrins Geschenk, seltener Indioschmuck; zwanzig Minuten gab sie sich und ihm. Der Wind hob die Vorhänge, von den Booten im Hafen das Klöppeln der Masten, dazwischen Stimmen, auch die von Renz, ein Wort wie Hissen oder Missen – man vermisste sie schon, bald würde Renz sie suchen, aber am Tisch noch Entspanntheit, Gelächter, deutlich das von Heide, Heide, die gar nicht müde wurde, ihr zu Ehren durchhielt, und dann Bühls Nichtmehrfreund oder Dochnochfreund mit kleinen Ergänzungen zu Renz, wie ein Weiterreimen von Hissen oder Missen. Du weißt nicht, was du von mir willst, sagte sie. Und bei deinem Ex-Freund, weißt du es da? Warum sollte der heute hier sein? Warum versteckst du dich vor ihm? Er hat mir Orchideen geschenkt, Blumen für die Frau in mittleren Jahren. Weißt du wenigstens, wie alt ich geworden bin? Dreiundfünfzig, Bühl, sprich es mir nach, sag: Du bist dreiundfünfzig, sag es! Sie zerrte an seinem Hemd, der einzige geschlossene Knopf sprang ab, und er griff sich ihre Hand und drückte sie in eins der immer zu vielen Kissen in besseren Hotels, die anderen fegte er mit einer Bewegung, als würde sie ihr gelten, vom Bett. Dein Alter, das ist mir egal.
    Aber mir nicht! Ein fast zu lauter Ausruf, vielleicht bis an den Tisch gedrungen, und statt es ihr nachzusprechen, zu sagen, du bist dreiundfünfzig, mein Gott, packte er ihre Arme und zog sie auseinander wie für eine Kreuzigung, Anlauf für etwas, das aber ausblieb; zum ersten Mal schien er nicht weiterzuwissen, Bühl am Ende seines Lateins oder am Beginn einer anderen Sprache. Los, tu mir weh, mach, rief sie, Worte wie aus einem Film, den sie nicht bis zum Schluss anschauen würde. Was ist, worauf wartest du? Sie hielt ihm ihr Gesicht hin, und das Einzige, was er tat, war, sie loszulassen und seine Hände im Nacken zu falten, ein Rückzug wie im Goldenen Adler, als sei sie es nicht wert, dass man ihr wehtut und sich selbst gleich mit. In Unterried hättest du alles von mir haben können, sagte sie, alles. Aber du passt auf dich auf, du willst in nichts hineingeraten, aus dem du nicht wieder sauber herauskommst, in keine Scheiße mehr, wie damals im Internat, du bist dein eigener Leibwächter, ich nicht – ich nehme auch Scheiße in Kauf, wenn dabei Glück herausspringt. Und du, was willst du? Meine Schwäche für dich? Oder noch mehr, meine Welt, willst du meine Welt ficken? Und wie oft nach diesem Sommer? Alle drei Monate für eine Nacht? Denkst du, das reicht, um in meine Welt einzudringen? Sie befreite den linken Arm und sah wieder auf die Uhr, nur wusste sie gar nicht mehr, wann sie vom Tisch aufgestanden war, die Zeiger hatten keine Bedeutung, sie zeigten nur, dass die Zeit verging, auch sein Bleib bitte: schon Vergangenheit. Sag etwas oder tu irgendetwas, sagte sie, und er legte sich neben sie auf den Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, das offene Hemd ging dadurch noch mehr auf. Seine Brust hob und senkte sich, auch die Bauchdecke: unter dem Gürtel immer wieder ein Spalt, in den sie gern die Hand geschoben, ja sich selbst verkrochen hätte. Und vom Hafenplatz jetzt ein Klatschen von Markisen, Rufe und hastiges Hin und Her, das Klirren zerspringender Gläser; Windstöße bauschten die Vorhänge, das einzige Licht im Zimmer wurde schwächer und wieder stärker.
    Vila! Auf einmal unter dem Balkon ihr Name, Renz’ ganze Ungeduld, vielleicht auch Sorge, also war sie nun die Vermisste. Dein Mann, willst du nicht zurückrufen? Bühl streichelte ihre Stirn, ihren Mund. Wie lange bleibt ihr noch am See, wenn das Wetter umschlägt? Er

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