Liebe in groben Zügen
Ever Happened to Baby Jane?, es kommt nicht ganz zusammen. Aber einmal im Jahr einigen wir uns auf Tod in Venedig. Und so trinken wir auf den Kompromiss, auf das Leben, wie man damit fertigwird, auf Vila und die Zeit!
Neuer Wind trieb welke Blättchen vor sich her, in den Oliven auf der Mole ein Zittern, noch mehr Welkes riss von den Zweigen und wirbelte bis an die Tafel mit zwölf erhobenen Gläsern. Renz sah jeden an, eine Runde endend bei ihr, der Moment, in dem sie aufstand. Sie ging zum Tischende und stieß ihr Glas an seins, ein stummer oder nur leise klirrender Dank, dann leerte sie das Glas, schon ihr viertes, fünftes, als seien sie allein, allein in ihrer Küche in der Schadowstraße nach einem Essen mit Freunden. Ihr entschuldigt mich, sagte sie, ein Wort, das schon zu viel war, aber das einfache Weggehen gelang ihr nicht. Sie winkte sogar noch Heide zu, Heide, der Vertrauten in heiklen Dingen, und Heide winkte zurück, frech solidarisch wie immer, und Marion Engler schloss sich an, aber ein Winken wie von weither, traurig im Grunde, warum verlässt du uns schon, während Katrin kurz den Daumen aufstellte, halb ironisches Zitat, halb Unterstützung: ja, man kann hier nur abhauen, und das tat sie. Sie lief zum Hoteleingang in einem Gewirbel von Blättchen wie alte Seide in tausend Fetzen, hinter ihr die Stimmen der Wilfingers: dass man sie natürlich entschuldige! Aber nicht gerne gehen lasse! Und auch Renz war noch zu hören, als sie schon an der Rezeption vorbei war, Preisfrage: Wie alt wäre Goethe heute geworden?, seine Stimme mit dem Wind vermischt, Wind, der bis ins Treppenhaus fuhr, auch ihr das Kleid zwischen den Beinen verwickelte, sie so jung machte wie die Italienerin mit dem wehenden Haar, als sie die Stufen nach oben nahm.
HIER bin ich: ihre Worte, als die Tür aufging, etwas anderes fiel ihr nicht ein, und sie wiederholte es, Hier bin ich! – wer liebt, hat nichts weiter zu sagen, als dass er liebt, mal leiser, mal lauter, ein Wiederholen, bis selbst Tränen vor Glück eine stumme Leier sind. Und fast hätte sie es erneut gesagt, hier bin ich, aber Bühl zog sie rechtzeitig ins Zimmer und drückte die Tür zu, Alles Gute zum Geburtstag – nicht ein Wort zu viel, nicht eins zu wenig und bei ihr schon zweimal drei zu viel.
Ich habe kein Geschenk für dich, schlimm? Leise, aber ohne Bedauern kam das, als sie zwischen Tür und Bett standen. Nein, warum schlimm – die Chance für drei Worte, die keine Wiederholung wären, nur tat es ihr weh, dass er nichts für sie hatte, war also schlimm. Irgendein winziges Geschenk, selbst eine Bastelarbeit, hätte sie glücklicher gemacht als alle großen, die oben im Haus lagen, von Renz etwa ein Premierenabo für die Frankfurter Oper oder von Marion ein antiquarisches Buch, der Roman Rot und Schwarz mit Ziegenledereinband. Du bist das Geschenk, sagte sie, und er zog sie aufs Bett, zu Recht nach solchen Worten: die sie gar nicht hatte sagen wollen, wie sie auch nicht für eine Minutensache mit ihm ins Bett wollte, nicht um den Preis, dafür den Mund zu halten oder noch mehr Unsinn zu reden an ihrem Geburtstag. Was sie eigentlich wollte, mehr als jede Umarmung, was sie erst ins Treppenhaus, dann vor seine Tür getrieben hatte, das war der Wunsch nach einer Antwort auf diesen Tag, auf ihr Dreiundfünfzigsein. Und seine Antwort: das grauseidene Kleid hochzustreifen, mit ihrem Einvernehmen, wenn Stillhalten schon Einvernehmen hieß, und die Hand unter den Slip zu schieben, einen Weg in sie zu suchen. Also musste sie sich selbst antworten, selbst ihre Geschichte erzählen: unhaltbar bei dem, was sie dann sagte, über ihn gebeugt, ihr Haar auf seiner Stirn. Ich liebe dich, und ich sage das nur ein einziges Mal, nüchtern, obwohl ich getrunken habe, mach damit, was du willst. Und jetzt gehe ich wieder – schlimm? Ein Kontern, aber nicht nur, sie war auch in Sorge, wie er den Abend über zurechtkäme – sie wieder unten am Tisch, abgelenkt, eingespannt, womöglich mit seinem alten Freund beschäftigt, er allein im Zimmer mit dem Verlangen nach ihr. An seiner Stelle wäre sie davongelaufen, auch das ihre Sorge. Sie sah ihn immer noch an, das Gesicht, von dem sie nicht genug bekommen konnte, wie als Kind von dem ihres Vaters, weil er kaum einmal da war. Und dann wollte sie vom Bett, und Bühl hielt ihren Arm fest, während sein Blick zur Seite ging, fast verlegen. Ja, schlimm, sagte er, knappe Worte aus dem Mund, den sie noch gar nicht geküsst hatte an diesem
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