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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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strich ihr Haar zurück, sie nahm seinen Daumen und umschloss ihn. Es schlägt nicht um – eine stürmische Nacht, dann kommen die besten Tage, Renz und ich nennen sie Gnadentage. Ich sollte jetzt gehen. Oder stiehl uns einen Wagen, und wir fahren die ganze Nacht bis Sizilien! Sie boxte ihn gegen die Brust, den Bauch, seine Gürtelschnalle und rief leise Sizilien, drei Silben, dreimal die Faust. Und dann, fragte er, was tun wir in Sizilien? Für immer dort bleiben, für immer, bis deine Tochter oder eine der Frauen dort unten anruft: Vila, was ist los? Er schob wieder ihr Kleid nach oben, er zog an seinem Gürtel, und sie schaute den Vorbereitungen für den animalischen Teil der Liebe zu, ein Wort ihrer Mutter, der animalische Teil der Liebe, um das eigene Verlassensein auszuhalten, die Sehnsucht nach einem Blick, einem Mund. Ich kann jetzt nicht, Bühl, und ich will auch nicht, obwohl ich es möchte. Ist das zu verstehen? Sie hielt seine Hand fest, die Hand, die schon dort war, wo sie alles noch schwerer machte, unlösbar. Küss mich, sagte sie, ein Risiko, und noch während des Kusses das Gegensteuern, sie zog ihr Kleid wieder über die Schenkel, aber halbherzig, ein kindisches Ringen mit seiner Hand, das sie verlor, und um noch irgendetwas in der Hand zu haben, nun doch der Griff unter seinen Gürtel und auch dabei ein Gegensteuern, jetzt mit Worten, Dein alter Freund, sagte sie, weiß er alles über dich von damals? Weiß er, was zwischen dir und diesem Rudertrainer war, weiß er, wie der umkam? Hatte er doch etwas mit ihm? Oder hattet ihr beide etwas? Sieh mich an! Sie hielt ihn jetzt, wo er Renz am ähnlichsten war, nur pulsierender, wie ein klopfendes schlankes Herz, und sein Blick ging weiter auf den Boden neben dem Bett, auch in der Schläfe ein Pulsieren, eins, das sie noch nie gesehen hatte an ihm. Ruhig nur die Stimme, aber wie von einem anderen, Unbeteiligten, zuständig für alle persönlichen Auskünfte. Cornelius und ich, das war Freundschaft, sagte er, meine einzige während der Schulzeit. Und mit Heiding hatte er nie etwas. Und dieser Mann ist ertrunken.
    Einfach ertrunken, ein Sportlehrer?
    Nein, nicht einfach, man ertrinkt immer elend. Wir hatten den Zweier, Heiding und ich, ein später Juniabend, und nach dem Rudern sind wir noch schwimmen gegangen, weit hinaus im letzten Licht, aber zurückgekehrt in der Dunkelheit ist nur einer, da war der andere schon ertrunken. Und nach drei Tagen die Leiche bei Steckborn, ein Fall für die Schweizer. Musst du nicht gehen? Er löste ihre Hand von dem, was sie hielt, noch ein Eingreifen des Unbeteiligten in ihm, auch als er aufstand, das Hemd in die Hose steckte und den abgesprungenen Knopf aufhob; die Adern in seinen Schläfen jetzt so geschwollen, als könnten sie jeden Moment reißen.
    Ja, ich muss gehen, sagte sie und ließ sich aufhelfen, seine ausgestreckte Hand wie ein Stück Freundschaft auf Probe. Sie ging vom Bett ins Bad, der normale Weg, und zog sich die Lippen nach, das Rot, das sie zuletzt in Mailand dabeihatte für das Treffen mit Michele Flaiano, der noch im Koma lag. Was ist da passiert auf dem See, sag es mir! Ein Ruf ins Zimmer, mit dem Gesicht nah am Spiegel, weil es idiotisch war, sich mit Lesebrille einen schönen Mund nachzuziehen, ihr unverdientestes Geschenk; den Stift fasste sie kürzer als sonst, wie ein Kind, das schreiben lernt. Bühl erschien in der Tür, er schaute ihr zu, seine Augen, auch unverdient, folgten dem Stift, ihren Fingern, der Hand. Heiding wollte sich mitten auf dem See, als wir schon zurückschwammen, an mir festhalten, Kräfte sparen für das Ruderhaus, aber auch vorglühen. Man sagte das damals noch nicht, man tat es wortlos, nur war er für mich zu schwer, ein nasser Muskelsack. Ich schwamm also weiter, und er rief nach mir, wie verrückt, dabei schluckte er Wasser, und ich machte noch einmal kehrt, bin getaucht. Aber nachts ist alles schwarz, wenn man taucht, ich spürte nur einmal sein langes Indianerhaar, er hätte nach meiner Hand greifen können. Vielleicht wusste er, dass es besser so für ihn war, für mich war es sicher besser. Cornelius glaubt, darüber mehr zu wissen, auch deshalb will ich ihn hier irgendwo treffen nach zwanzig Jahren, sagen wir, in Campo.
    Warum nicht gleich in der Kapelle, wo wir uns getroffen haben? Sie steckte den Stift ein und kämmte sich noch, Bühl stand jetzt neben ihr: zum ersten Mal sie beide in einem Spiegel, ein Paar wie zwei Sonnen in einem Spielautomaten, fast ein

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