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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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bei mir ist es lang her, mich an weichem Haar erfreut zu haben. Unter den Flicken, die wir tragen, nur noch ein halber Mann, eine halbe Frau. Aber einmal haben wir die Hälften kühn zusammengefügt, das war am Mincio, jeder des anderen Honigspeise. Wo bleibt das Wasser? Franz rührt die Hände im Laub, ein lautes Rascheln, und Klara wringt ihre Haube über den trockenen Lippen aus. Was mein Bruder eben gesagt hat, jeder des anderen Speise, hat er es zuvor schon gewußt, was er sagt?
    Nein. Es kam, wie der Blitz vom Himmel fährt.
    Wer aber denkt dann solche Gedanken und legt sie uns auf die Zunge, der Himmel in uns? Klara flüstert wieder durch ihr Tuch. Niemals. Er gibt uns nur Wörter und Zunge.
    Die Fahrt zum Mincio, ich wollte sie nicht, sagt Franz. Und das Dennoch, wo kommt es her? Sind wir willenlos, Tiere?
    Tiere brauchen nur Futter und einen Platz, erwidert Klara. Und manchmal eine Hand im Fell, das reicht dem Kaninchen, dem Lamm. Aber Haut ist kein dickes Fell, sie braucht manchmal andere Haut. So wie Menschenaugen nach Blicken verlangen. Die Blicke meines Bruders sind mir immer ausgewichen. Und doch hat er mich mehr gesehen als jeder andere. Menschen verlangen nach dem, der sie sieht. Auch wenn er fast blind ist. Deine Lippen, sie sind jetzt feucht. Soll ich die Augen kühlen? Klara legt Franz den getränkten Stoff auf die Augen, sie wringt noch Tropfen heraus. Es gibt nur einen, der uns sieht und erkennt, entgegnet er, aber sie widerspricht ihm. Für die, die Gott liebe, gebe es immer zwei, ihn und einen Menschen, sagt sie, und Franz nimmt sich das Tuch von den Augen. Das wäre aber nicht des Allmächtigen Liebe, das wäre seine Strafe. Wir wären mit Verlangen geschlagen.
    Dann will ich geschlagen sein, sagt Klara. Nur für die eine Stunde im Schutz des Karrens, den unser einsames Eselchen mittags zum Fluß gezogen hat, will ich es.
    Das Eselchen hatte Gesellschaft, eine Schwester und einen Bruder, nur ohne Fell. Und nun sind wir still, mir schwindelt, ich fühle den Tod – bald ist es ein Esel weniger.
    Klara taucht die Haube wieder ins Wasser, sie drückt sie Franz auf die Lippen. Warum denkt mein Bruder nicht nach? Er fühlt nicht den Tod, er fühlt seinen Durst. Es mangelt uns, wie sehr wir auch trinken. Dort, wo wir nicht sind, ist alles Wasser und alles Licht. Darum soll auch die Witwe des Graziano Frangipani ihre Speise aus Rom mitbringen und dich füttern, wenn du auf ihrem Tuch liegst, das kleine Kissen unter dem Kopf, damit der Honig auf der Zunge zergeht und es dir im Tode an nichts mangelt, nur an Leben.
    Franz will sich aufrichten und fällt ins Laub zurück, Wem helfen solche Frauenworte? Deinem Bruder helfen sie nicht, also sei still. Oder sprich mit dir selbst und geh, der Himmel sei mit dir! Franz streckt eine Hand, er will Klara segnen und nennt sie beim Namen, seine Stimme klingt, wie sie geklungen hat, wenn er an Pfingsten zu allen Brüdern sprach, Hunderten auf Matten um ihn geschart. Chiara! Sie kniet jetzt vor dem Lager, er berührt ihren Kopf, den Flaum, der dort noch weiterwächst, das Ungestillte, und dann ihr Nein. Nein, mein liebster Bruder kennt mich: Ich werde noch bei ihm sitzen, wenn aller Honig schon aufgebraucht ist, in seinem Sterben.
    UND dann schon die Stadt am Berg, in der Nacht wie ein Teil des Bergs, nur die große Basilika angestrahlt, bleiche Stütze für das ganze ansteigende Häusergebilde. Nach dem Assisi-Schild war Renz immer weitergefahren, wie sie immer weitergelesen hatte. Und jetzt? Sie machte wieder eine Rolle aus den Blättern, gar nicht einfach in den Serpentinen zur Oberstadt; Renz hatte ihr nur zugehört, nichts gesagt, und seit dem letzten Wort erneut die Faust im Haar. Er fuhr wieder mit einer Hand, erst um die engen Kurven, dann in die gewundene Gasse, die bis zur Basilika San Francesco führte. Jetzt suchen wir uns irgendein Zimmer, sagte er bei seiner Millimeterarbeit; er kannte den Wagen genauer als sie, sie unterschätzte er auch nach allen Jahren noch: Wenn es diese Stadt sein musste, war sie dabei, Vila von Assisi. Alle kleineren Unterkünfte lagen schon im Schlafdunkel, nur über dem Eingang des Hotels Giotto brannten die Lampen, und jemand erschien auf das Klingeln hin, und es gab für die eine Nacht auch ein freies Zimmer, sogar mit Garagenplatz, im September ein Glücksfall. Renz ging sofort ins Bett. Und woher weiß Bühl das alles? Eine Frage, als sie aus dem Bad kam und er mit Schüttelforst unter zwei zusätzlichen Wolldecken lag,

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