Liebe in groben Zügen
ich, sagte Spiegelhalter, ein Betonding mit Meerwasserschwimmbad und Bar! Er sah nach hinten, strahlend wie der Gewinner in dieser Sache, während Bühl noch die Worte fehlten, um zu sagen, was er wusste, er konnte nur in die Gegend schauen. Zu beiden Seiten wieder Brachland, schmutzig grün und flach, hinter Zäunen vereinzelte Villen und in der Ferne ein Gebäude wie eine riesige umgekehrte Pfeilspitze. Die russische, früher sowjetische Botschaft, erklärte Spiegelhalter; er war betrunken, aber hellwach, die roten Augen fixierten Bühl. Und was hat der Alte erzählt, als du dich geplagt hast? Ein Toilettenmann in Havanna ist immer gesprächig. Also, wie sieht es aus, kritisch? Der Leiter des Instituto Fichte mit einem Gespür für die Wahrheit, aber Bühl stellte sich taub; er wollte Zeit gewinnen, den Anblick des Meeres auf seine Seite bekommen, und als das Meer plötzlich dalag, blau hinter dem Brachland, weiße Brandung gegen schwarzen Fels, war die Zeit um. Sie fuhren schräg darauf zu, ihr Reiseführer zeigte auf einen bunkerartigen, halbfertigen oder aufgegebenen Bau am Felsrand, übriggeblieben oder fertig war nur der Schriftzug auf dem Dach, freistehende Buchstaben, an denen der Wind zerrte, besonders am zweiten, dem O. Der Ex-Hauptmann bog in die Zufahrt, einen lehmigen Weg neben Gestrüpp, und Bühl nahm Vilas Kopf in den Arm und sagte in einem Satz, was es zu sagen gab.
Das Copacabana war ein Hotel aus den Fünfzigern mit leeren Anbauten aus den Siebzigern und einem kleinen, neuen Teil, der noch unfertig war, aber schon in Betrieb, das Ganze an einem öden Küstenstrich, wie eine vergessene Befestigungsanlage; selbst das Meerwasserschwimmbad hatte etwas von einem Bunker durch seine dunklen, mit Muscheln bewachsenen Mauern. Es war schon später Nachmittag, man konnte fast in die Sonne schauen, über dem gischtnassen Fels, wo das Land endete und das Meer begann, flogen Möwen und Krähen durcheinander. Ein schönes Bild, aber kein Trost. Am Rand der überspülten Felsen Vila und Bühl, sie waren allein, Spiegelhalter und der Veteran prüften Fernández’ Angaben. Bühl hielt die Kamera, während Vila ihr Gesicht zwischen den Händen hatte, als könnte es im Wind davonfliegen, samt allen Träumen von einem Neugeborenen, das auch ihr Leben mit Renz erneuern würde. Wir brauchen den Sonnenuntergang, sagte sie, die ersten Worte, seit sie es wusste, dazu ein Blick auf Bühl, ein Klammern mit den Augen, an seinem Haar, seinem Mund, dem Kieferbogen, allem, das sie anzog, wie fremd es auch war, so anzog, dass ihr Herz klopfte, erfüllt von ihm und schwer wegen Katrin, ein schwer erfülltes Herz, wie es nur Kinder und Liebende haben. Die Sonne stand noch so hoch, dass Zeit blieb, in die Cafeteria neben dem Meerwasserbecken zu gehen, durch dunkle Lachen auf dem Fels und über Ketten mit Bärten von Tang; Vila hielt ihr Kleid angehoben, wie die jungen, aber schon erwachsen wirkenden Frauen in alten Filmen, wenn sie erfüllt durch Pfützen eilen, um genau dort hinzukommen, wo sie hinwollen.
Nur ein paar Gäste saßen in der Cafeteria, und ebenso viele Kellner schienen im Stehen zu schlafen. Die Bar gut sortiert, aber auch hier kein Barmann, zwischen den Flaschen ein Kofferradio, Salsamusik. Vila stellte sich an den Tresen, sie machte ihr Telefon an, Renz hatte ein Recht, es gleich zu erfahren, auch wenn die andere neben ihm schlief. Spiegelhalter und sein Securitymann kamen auf die Bar zu, der frühere Soldat hob eine der Krücken: Fernández’ Neffe sei gestern mit einer jungen Frau im Hotel eingetroffen, die beiden ließen sich aber nicht blicken – was sollen wir tun? Er sah Vila an, aber Vila suchte Renz’ Nummer, sie entfernte sich ein Stück, gefolgt von zwei gelbgrauen Hunden, die als Paar durch die Cafeteria schlichen; trotz der Musik lag etwas Stilles, Totes über allem, ein Alptraum in Beton, mitten darin der Leiter des Instituto Fichte. Er sprach mit einem der Kellner und zog sich dabei aus, Jackett und Schuhe, das ehemals weiße Hemd, die Hose, seine Kleidung im Arm, stand er in welker Wäsche da und zeigte zur obersten Etage des Hotels, einmal, zweimal, dreimal, bis der Kellner nickte. Spiegelhalter zog noch das Unterhemd aus, er legte alles auf einen Stuhl, und das Hundepaar schnupperte an der Kleidung, während er schon Anlauf auf das Meerwasserbecken nahm und Bühl ein Kindheitswort aus dem Zartenbacher Freibad zurief. Bombe!
Es hallte noch nach in der Cafeteria, als er mit angezogenen Knien
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