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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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blieb die Bank leer, und der Platz samt dem kleinen Hafen bekam etwas Totes – Schwer auszuhalten, unser Ort im November, du kannst nur arbeiten, trinken und schlafen: Renz’ tröstliche Worte am Telefon. Bühl hatte in Frankfurt angerufen, abends, ein Impuls von einem Moment zum anderen, aber leider war Renz am Apparat, nicht Vila, und er hatte ihm gesagt, dass er zurück sei von den Recherchen, wieder das Haus hüte für einige Zeit, dann wollte er noch einmal nach Assisi – kein leichtes Gespräch, im Hintergrund Vilas Stimme, Grüße ihn bitte von mir!, und das tat Renz dann auch, Grüße von meiner Frau, ja? Und natürlich gingen die Grüße zurück, Renz der Vermittler: Unser Mieter lässt dich auch herzlich grüßen – das Herzlich hatte er erfunden –, und erneut die Stimme im Hintergrund, Ich rufe Sie mal an in Ihrer Einsamkeit!, und Renz, wie ein schlampiger Übersetzer: Meine Frau meldet sich mal – und Sie wollen also nach Assisi, wissen Sie, woran ich denke? Er siezte ihn jetzt wieder, in der Art wie Lehrer ihre Schüler, wenn sie sechzehn geworden sind, und dann kam es, woran er dachte: an seine Mitarbeit bei einem Franziskus-Zweiteiler mit deutschem Bezug. Der kleine besessene Mann, der von Assisi bis über die Alpen wandert, wären Sie dabei, Kristian, als Berater für die Story, die Figuren? Auf einmal sein Vorname, Kristian und Sie, und aus dem Hintergrund erneut Vilas Stimme, Soll er nicht erst sein Buch schreiben?, den Worten nach ein Vorschlag, in Wahrheit ein Einwand, und darauf er, sinngemäß: Nachdenken über die Figuren einer Geschichte, nie ein Schaden, also wieso nicht, man könnte sich irgendwo treffen, in einem Hotel. Und am anderen Ende kurze Stille, wie ein Beraten, dann Renz, fast euphorisch: Treffen wir uns doch in München, für jeden die halbe Strecke, am besten noch vor Weihnachten, Weihnachten sind Vila und ich in Jamaika, keine Luxussache, ein einfaches Haus am Strand, Charela Inn, hauptsächlich ältere Paare, einziger Luxus ein Fischtrip, würde Ihnen so was gefallen? Renz hatte sich durch die Wohnung bewegt, im Hintergrund jetzt das Geräusch von Wasser, in eine Wanne laufend, und noch einmal Vilas Stimme, Warum sollte er das mögen? Für ein Schweinegeld aufs Meer fahren, nur um stundenlang zu warten und irgendwann mit einem Fisch zu kämpfen? Und erneut Stille, auch das Badewasser abgestellt, ein Warten auf seine Antwort, von Vila, von Renz, und die Antwort dann ein Warum nicht, er könnte sich einen Wagen mieten, aber das Treffen deutlich vor Weihnachten. Weihnachten gehört der Familie, sagte er, und Renz stimmte ihm zu, gleichzeitig ein Geklatsche, als würde Vila in der Wanne heftig aufs Wasser schlagen, mit den Händen, mit den Füßen, dazwischen ein Ausruf, Welche Familie?, und Renz: Hören Sie das, Kristian?, und Vila: Er ist ja nicht taub. Und vielleicht solltest du klarstellen, dass wir in Jamaika nicht Weihnachten feiern, sondern Weihnachten vermeiden, und jetzt lass mich mein Bad nehmen, mach die Tür zu! Danach noch ein paar leisere Worte, nur für Renz bestimmt, und er hörte das unsanfte Schließen der Tür und Renz’ Schritte im Flur auf Parkett, beleidigte Schritte, klackend mit Ledersohlen, dazu noch ein Themawechsel, Fragen zum Haus, ob alles funktioniere, Internet, Spülmaschine, Bewässerung und der Pool: ob er schon grün sei, kein Anblick mehr?, und von ihm nur beruhigende Antworten, wie gegenüber alten Eltern. Also dann ein Treffen in München, sagte Renz, da kann Frau Mattrainer auch dabei sein. Franz von Assisi und der deutsche Bezug, denken Sie darüber nach! Und er: Wussten Sie, dass einer von den Lieblingsbrüdern halber Deutscher war, Bruder Stephan oder Stefano. Die Mutter kam aus Augsburg.
    Dann lässt man auch den Vater aus Augsburg kommen, schon haben wir einen ganzen Deutschen. Wie eng waren die beiden – hatte Franz mal etwas mit einem der Brüder?
    Auf den Wanderungen? Ich war nicht dabei.
    Sie waren nicht dabei, aber schreiben das Buch.
    Genau darum ja, sagte Bühl, fast sein letztes Wort.
    Er war nicht dabei und war es doch: jedes geschriebene Wort wie ein gemeinsamer Schritt auf der Wanderung, eine Lust am Dabeisein, wie es eine Lust am Lieben gibt. Und bei beidem – wenn man nachts wach liegt, allein in einem Haus mit Garten und nahem See, der Wind durch die Bäume fährt und den See rauschen lässt – die Sorge, ob man den Verstand verliert oder schon verloren hat. Nur wie könnte man dann lieben oder schreiben?

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