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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Wahnsinnig kann man dabei kaum sein, ganz normal oder ausgeglichen aber auch nicht, also ein Zustand dazwischen, etwa der blanker Nerven, einer durchlässigen Haut, man selbst als leichte Beute. Ich schreibe da, wo du nicht bist, eine SMS für Vila, am frühen Morgen abgeschickt, danach endlich der Schlaf, bis in den Nachmittag. Sein Wecker ein heftiger Regen, lautes Geprassel auf der Terrasse, das Wetter, um an Franz dranzubleiben, ein Arbeiten im Bett, das Notebook auf den Knien. Noch am Abend saß er so da, neben sich geschmierte Brote; er kaute gerade, als im Wohnraum das Telefon ging, und mit einem Brot in der Hand, Ciabatta mit Olivenpaste, lief er zu dem Tisch am Sofa, fast ein Spurt, wie von den blanken Nerven gesteuert. Nach dem Abnehmen aber ein ruhiges Ja, offen, nicht fragend, und am anderen Ende ein weit weniger ruhiges Ich bin es, Vila! Danach ihr Luftholen wie ein stummes Hier bin ich, du kannst aufhören zu schreiben, und er fragte, von wo sie anrufe, ob sie allein sei, und sie, halblaut, als könnte wer mithören: Euer Treffen in München, vielleicht ahnt Renz etwas und will dich sprechen, ich weiß es nicht. Geht unsere Heizung, hast du’s warm? Vila erkundigte sich nach allem, was ein Alleinsein erträglicher machte, und er gab sich Mühe, so gut wie möglich darauf einzugehen; sie sprachen über Winterdecken und Kerzenlicht und die beschrifteten CDs unter dem Telefontischchen, was dort so lag, um es abends zu hören; über Tee mit Honig und die Bücher rechts und links vom Kamin, was in den Regalen so stand, um es nachts zu lesen. Ein Hin und Her von dem, was sie mochten und dem, was sie weniger mochten, ja läppisch fanden, kaum der Rede wert, bis der italienische Akku am Ende war, auf einmal ein Piepton, und Vila: Jetzt ist gleich Schluss bei dir, der Akku, wollen wir uns sehen?, eine Frage unter dem Druck des Tons, und er schlug ihr Assisi vor, Komm doch auch dort hin – für Vila ein Vorschlag ins Schwarze. Gut, sagte sie.
    Das Wort, das er mit in die Nacht nahm, und im Halbschlaf ein erneutes Hin und Her. Was wir da tun, ist das gut so? Ja, es ist gut so. Wirklich gut? Ja, wirklich gut. Ein zähes Pingpong, schon am Rande des Träumens oder darüber hinaus, Grenze jeden Erzählens. Bis in die Dämmerung reichte sein Schlaf, an dem Morgen durch Vögel beendet. Er machte sich Tee, den Tee, wie Vila ihn trank, er hörte Musik, ihre liebste Morgenbegleitung, Mozarts Klarinettenkonzert. Danach die Arbeit am Esstisch, auch ein zähes Hin und Her. Und gegen Mittag am Hafen, auf der nicht mehr besetzten Bank, ein ambulantes Essen, Käse, Brot, kleine Tomaten. Er war der Einzige auf dem Platz, um ihn nur Stille und Dunst, und in sich die Klarheit, wie es um ihn stand, als hörte er laut die Worte dazu. Das Berauschende an der Liebe rührt aus dem, was man weiß; die späteren Wunden aus dem, was man sieht.
    RENZ konnte nicht mehr übersehen, dass seine Frau – auf einmal gab es diesen Begriff, vorher nur Bestandteil von ironischen Reden – nicht mehr die war, mit der er noch am Ende des Sommers im Bett lag, in ihrem Leib, ihrem Verstand: sie beide mit dem Wunsch, sich das zu erhalten, auch wenn sie Großeltern würden. Vila stieß sich nicht mehr an ihm, keinerlei Streit über Lächerlichkeiten, die Klobrille, die er hochgeklappt ließ, die unverkorkte Flasche, den nicht getrennten Müll; sie hatte etwas Leichtes, ja Gelöstes bekommen, auch körperlich. Und an dem Abend mit den Englers schwebte sie förmlich, witzig, elegant, ihr Haar hochgesteckt, nur ein paar Härchen über den roten Wangen, sie war wieder Mitte vierzig, in den besten Jahren. Und nicht nur Renz sah ihre Verwandlung, auch die Ex-Pastorin aus Mainz und Heide und Jörg von gegenüber sahen etwas. Seit wann machst du Sport, fragte Heide, und Vila lachte nur, ein Lachen, dass Marion Engler – für Renz noch immer die schwierige Blonde auf einer evangelischen Kanzel – mit ihr anstieß: Schön, dass wir hier sein können, tolles Essen, tolle Frau!
    Vila hatte Osso buco gekocht, Kalbshaxe im Gemüsesud, ein Wintergericht, vorher gab es Heides Reminiszenz an den Sommer, die Pimientos de Padrón, pur mit Salz, und Renz hatte seinen Salzmühlendiebstahl im Waldhaus erzählt, eine Anknüpfung an die Englers, die auch schon im Waldhaus gewesen waren. Nach Silvester, wenn es bezahlbar wird, sagte Thomas, Erfinder zweier Jugendsendungen, die seit Jahren liefen, darüber leider alt geworden: sein eigenes Urteil vor dem Dessert, einer

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