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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Stunden gefüllt, die ersten Proben zu dem Projekt, das in diesen Tagen auf die Bühne kam; ihr war es um das Rohe des Anfangs gegangen, das anrührend Laienhafte. Es ist meine Hand, nicht deine, sagte sie, als es aus ihrem Mantel an der Garderobe im Flur vor der Küche summte, ein Ton, den Renz nicht hörte – seine Trommelfelle hatten letzten Winter durch eine Grippe gelitten, nichts Ernstes, aber er hielt sich schon manchmal den Finger hinters Ohr. Vila schenkte ihm Wein nach, dann ging sie in den Flur und holte ihr Ding aus dem Mantel, unterbrach das Summen. Willst du’s nicht sehen, rief Renz aus der Küche, und sie sah sich den Beitrag von der Tür aus an. Schön, aber wirr, hatte Podak bei der Abnahme gesagt, ihm fehlte ein Kommentar, die Kritik, aber das Ganze sprach für sich, also musste sie auch nicht darin vorkommen. Sie erschien erst nach den Credits, sichtlich beeindruckt, als hätte sie es selbst gerade erst gesehen, das war ihr heimlicher Kommentar; danach noch ein Ausblick auf die nächste Sendung, ihre Hand schon wieder am Ausschnitt. Als würdest du keine Luft kriegen, sagte Renz und schaltete zum Sportkanal, wo noch einmal die Tore der Sonntagsspiele gezeigt wurden.
    Vila lief ins Bad, sie schloss die Tür und drehte das Wasser am Waschbecken auf. Es gab nur einen, der um diese Zeit eine Nachricht schickte, oder es kam nur einer in Frage, obwohl sich auch Katrin schon zu allen möglichen Zeiten mit ein paar Worten gemeldet hatte, Worten, die oft wärmer waren als alles, was aus ihrem Mund kam. Sie lehnte sich an die Tür, gegen Renz’ alten Bademantel, der dort seit Jahren an einem Nagel hing, und holte die Nachricht auf den Schirm, Wovor schützt dich deine Hand? , Worte, die ihr die Armhärchen aufstellten, wie manche Liedzeilen, die viel mehr waren, als sie sagten, Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, bin ich mit meiner Sehnsucht allein: die Hymne ihrer Mutter. Bühl hatte die Tipps gesehen, also war er zurückgeflogen. Sie steckte das Telefon ein und verließ das Bad, Ich gehe noch an die Luft! Ein Zuruf in die Küche, Renz nickte nur, das Weinglas am Mund – sich hinter seinem Rücken bewegen, ihn hintergehen: so einfach, so selbstverständlich, als wäre dort ein natürlicher Lebensraum, den man nur nutzen müsste. Früher hatten sie einander alles erzählt, ihre ersten, nackten Jahre, so schön und so zu viel wie alles Nackte, bis Katrin anfing, auch die kleinste Spannung am Tisch aufzuschnappen, alles zu kommentieren – sie war noch keine zehn –, und das Offene, Nackte, ging in Ironie über, wenn sie zu dritt waren, anderenfalls in Geschrei oder schreiendes Schweigen.
    Die kleine Schadowstraße hatte in Herbstnächten etwas Kulissenhaftes mit ihren Laternen zwischen alten Laubbäumen und nassem Glanz auf dem Kopfsteinpflaster. In den Häusern, die wie Schulter an Schulter standen, war schon alles dunkel, die Nacht zum Montag eine Schlafnacht, nur bei Elfi und Lutz brannte noch Licht, zwei treue Zuschauer der Sendung. Vila ging bis zur unteren Ecke, dort erst wählte sie Bühls Nummer, die hatte sie eingegeben, unter seinen umgedrehten Initialen in kleinen Buchstaben, ein Vorsichtsreflex, wie bei Einkünften, die sie an der Steuer vorbeigebracht hatten und über die man nur in Kürzeln sprach, selbst untereinander, und sie hatte geglaubt, allenfalls etwas Schwarzgeld würde derartige Energien hervorrufen. Sie lief in die Schneckenhofstraße und hörte das Freizeichen, nach jedem Ton ihr inniges Hoffen und auch nach dem fünften noch nicht die Mailbox – vielleicht putzte er sich gerade die Zähne, dann hört man kein Läuten, wenn das Telefon nicht im Bad liegt.
    Komm schon, sagte sie und schob mit den Schuhen Laub vor sich her, und einen Herzschlag später nahm er ab, Vila, wie geht es dir, gut? Gleich eine Sorge um sie, dazu ihr Name, und sie fiel ihm fast ins Wort, Wo bist du?, im Moment die dringendste Frage, und er: Vor deinem Zimmer, auf deinem Balkon!, ein Ausruf, als sie, parallel zur Schadow, in die Morgensternstraße bog. Sie konnte es kaum glauben, dass er von ihrem Balkon auf den nächtlichen See blickte und nur ein paar Schritte zurücktreten musste, um in ihr Bett zu fallen. So war es mit deinem Mann vereinbart: dass ich wiederkomme, sagte er. Ich hatte die ganze Zeit den Schlüssel dabei. Warum hast du nicht etwas ohne Ausschnitt getragen? Er ließ ihr Zeit mit der Antwort, sie sah, dass auch bei den Hollmanns noch Licht war, Danny und Ines, er im

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