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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde«, wie er sagte … aber hier beim Postmeister lief eine Magd herum, die ›unter Jarantie‹ den doppelten Busenumfang wie Alla aufzuweisen hatte. Grund genug für Luschek, um auszuspionieren, in welcher Kammer diese dralle Marfa wohnte. »Det is so, Herr Oberleutnant«, pflegte Luschek in ähnlichen Situationen zu erklären, »ick bin 'n Busenfetischist! Wenn ick so'n paar runde feste Dinger sehe, kribbelt's bei mir unter den Haaren! Ick weeß ooch nich, woher det kommt, aba ick muß wohl lange Zeit 'n Brustkind jewesen sein. Det is fast 'n Kinderdrama, Herr Oberleutnant.«
    »Trauma, Luschek!«
    »Det is et, Herr Oberleutnant. Ick kann nich dafür.«
    Marias Kammer aber bekam Luschek in dieser Nacht nicht heraus, zumal er auch keine Chancen gehabt hätte, denn zwei Kosaken teilten sich das dralle Mädchen. Dafür entdeckte Luschek etwas, was anscheinend niemand sah, sehen wollte oder sollte.
    Er weckte also Gregor, der allein in einer kleinen Kammer schlief, und knallte die Hacken zusammen. »Bist du verrückt?« zischte Gregor. »Was willst du mitten in der Nacht?«
    »Ick möchte Herrn Oberleutnant etwas zeigen.«
    »Jetzt?«
    »Ja. Hinterm Haus …«
    »Luschek, ich lasse dich kastrieren, wenn du mich wegen irgendeiner Bagatelle aus dem Bett holst. Was ist denn?«
    »Det müssen Herr Oberleutnant mit eijenen Augen sehen!« versetzte Luschek stur. »Ick hab' so was noch nie jesehn, hinterm Haus oder vielmehr hinterm Pferdestall, bei den Scheunen, unter freiem Himmel, bei der Kälte … Ick denke, mir laust der Affe!«
    Es war etwas in seiner Stimme und seinem Gesichtsausdruck, das Gregor veranlaßte, sich ohne weitere Fragen anzuziehen und seinem Burschen zu folgen. Als sie durch die Haustür ins Freie kamen, hieb ihnen der Frost förmlich wie eine Faust entgegen …
    Der Mond stand hell und rund an einem wolkenlosen Himmel. Das im Frost erstarrte Land war in sein bleiches Licht getaucht, als hätte man es mit flimmernder weißer Farbe angestrichen.
    Gregor blieb zwischen Postmeisterei und Stall stehen und sah sich um. »Wo denn?« fragte er.
    »Hinter dem Stall – zwischen den Scheunen!«
    Gregor hob die Schultern. Pferdegewieher und Scharren drang aus den Stallungen in die Nacht. Dazwischen hörte man plötzlich ein paar Rufe, Befehle und das Klatschen einer Peitsche. Gregor sah Luschek fragend an.
    »Diese Lumpenkerle!« sagte Luschek heiser. »Wenn ick könnte, wie ick jetzt wollte, Herr Oberleutnant … Jleich um die Ecke is det Saupack!«
    Gregor von Puttlach begann zu laufen. Er rannte an den Stallungen vorbei, bog um die Ecke und blieb, wie von einer Faust zurückgestoßen, stehen.
    Auf der Erde, im verharschten Schnee und dem erbarmungslosen Frost preisgegeben, saßen, lagen oder kauerten etwa zweihundert Menschen eng zusammen, um sich gegenseitig wenigstens einen Hauch von Wärme zu geben. Eine der Scheunen, halb leer, stand offen … Hier brannte ein Holzfeuer, um das Kosaken saßen. Andere lagen tiefer in der Scheune im Stroh und schliefen. Drei Kosaken umkreisten die zusammengedrängten Menschen, lange Peitschen in der Hand, und hieben ab und zu auf einen der zuckenden Körper, wenn der Mensch versuchte, aus dem Kreis wegzukriechen, zur Scheunentür hin, aus der ein wenig Wärme in die eisige Nacht wehte.
    Gregor knöpfte seinen Pelzmantel auf, als er näher kam und die drei Kosaken ihn mißtrauisch musterten. Als er etwa vier Schritte vor dem Menschenknäuel stand, hoben sie die Peitschen.
    »Stoj!« schrie einer von ihnen. »Komm nicht näher, Brüderchen, wenn du nicht eine Schramme haben willst!«
    Gregor öffnete den Mantel ganz. Seine Uniform mit den Offiziersschulterstücken war nicht mehr zu übersehen. Auch in die graue Masse Mensch im Schnee kam Bewegung. Die Decken, die nur notdürftig die Gestalten verdeckten, fielen zur Seite. Gregor sah entsetzt, daß man die Männer mit dicken Ketten aneinandergefesselt hatte, immer drei auf einmal. Auch an den Füßen trugen sie Ketten, gerade so lang, daß sie einen Schritt tun konnten. Die Männer waren fast unkenntlich, Bart und Haare wucherten über ihre Gesichter, jetzt noch verklebt vom gefrorenen Atem.
    »Geh weg!« sagte einer der Gefangenen. Er sprach sogar deutsch, was Gregor wie einen Hieb in den Magen empfand. »Geh ins Haus, Söhnchen! Das geht dich nichts an!«
    »Es geht mich sehr viel an!« rief Gregor in die Nacht. »Ich bin deutscher Militärattaché in St. Petersburg.«
    »Dafür darfst du dich am Arsch lecken lassen!«

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