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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klang es, als krache ein massiger Körper gegen die hölzernen Wände. Luschek war anscheinend dabei, den Postmeister Lepkejew davon zu überzeugen, daß er die Suppe wärmen müsse.
    »Was bedeutet das?« fragte Michejew.
    »Ich habe versprochen, den armen Kerlen heißes Wasser, Brot und einen Kessel mit Suppe zu bringen.« Gregor ballte die Fäuste. »Und das geschieht gerade!«
    »Welch ein Irrsinn!« Michejew sprang aus dem Bett. Er schlüpfte in seine Hose und zog den Pelz vom Haken. »Ich werde mich bei dem Kommandeur, Major Schukow, entschuldigen müssen. Ich, ein General, muß mich bei einem Major entschuldigen! Weil mein zukünftiger Schwiegersohn Verbrecher an seine ehrenhafte Brust drückt!«
    »Du bleibst hier, Wladimir Alexandrowitsch!« sagte plötzlich Gregor kalt. »Denk an die Nasenspitze des Zeus …«
    »Du drohst dem Vater deiner Braut?« Michejew blieb bleich neben seinem Bett stehen. »Du weißt nicht mehr, was du tust, Gregorij!«
    »Ich weiß, daß man da draußen arme Menschen schlimmer behandelt als räudige Tiere!«
    »Sie sind auch weniger als räudige Hunde!« schrie Michejew zurück. »Wer den Zaren nicht anerkennt, hat nicht mehr verdient. Aber bitte, bitte … Ich sehe sie mir an! Ich muß mich ja sowieso bei Major Schukow entschuldigen!«
    Er warf seinen Pelz über und rannte an Gregor vorbei aus dem Zimmer. Im großen Aufenthaltsraum trafen sie auf Lepkejew. Er saß auf dem Boden an der Wand, seine Augen waren verschwollen, und aus einer Stirnwunde rann Blut über sein trauriges Gesicht. Die Tür zur Küche stand offen, das Feuer loderte im offenen Herd, aber der große Kessel mit Suppe war bereits weggetragen worden. Die dickbusige Marfa war gerade dabei, einen neuen großen Kessel mit Wasser aufzuhängen.
    »Revolution, Euer Hochwohlgeboren!« stöhnte Lepkejew am Boden. »Der Deutsche hat die Suppe geklaut, das Brot und sieben dicke Würste! Ich habe mich gewehrt wie ein Stier, aber der Deutsche hat die anderen Reisenden geweckt und sie aufgefordert, ihm zu helfen.«
    Michejew starrte Gregor mit flackerndem Blick an. »Wenn das wahr ist, wenn du die Suppe an die Verbrecher hast verteilen lassen … du, der Schwiegersohn des Generals Michejew …«
    Damit rannte er aus dem Haus. Gregor folgte ihm.
    Draußen war die Hölle los. Von dem Platz vor der Scheune erscholl Gebrüll und dann ein rhythmisches, heiseres Singen.
    Gregor lief es kalt über den Rücken. Mein Gott, dachte er, diese lebenden Leichen singen! Sie schreien ihr Leid hinaus mit einem Lied.
    Sie bogen um die Stallungen, und wie vorhin Gregor, so war es jetzt Michejew zumute – als stoße ihn eine Faust zurück. Er blieb stehen, Gregor prallte gegen ihn, und so, sich gegenseitig festhaltend, starrten sie auf das Bild, das sich ihnen bot.
    Die Verbannten hatten sich erhoben. Die mit Eis überzogenen Ketten an Händen und Füßen klirrten. An der Scheune standen untätig die Kosaken, denn vor ihnen hatten sich die Reisenden aufgebaut, die ebenfalls in der Posthalterei übernachteten. Jeder hatte eine Waffe in der Hand. Major Schukow hatte ein Blutbad vermieden, indem er den Kosaken befohlen hatte, sich ruhig zu verhalten. Es blieb ihm auch kaum etwas anderes übrig, denn neben einem hageren, bärtigen Mann und einem deutschen Soldaten schöpften auch zwei elegante Damen in wertvollen Zobelpelzen die heiße Suppe aus dem Kessel und trugen die tönernen Schüsseln zu den Gefangenen.
    »Meine Frau …«, stammelte Michejew fassungslos. »Ich bin vernichtet.«
    »Und meine Braut!« sagte Gregor tief atmend. »Ich bin stolz auf sie.«
    Die ausgehungerten Gestalten hielten die Schüsseln oder Becher mit Suppe und heißem Wasser in den Händen. Allein die Wärme war schon ein Wunder Gottes … Und daß man diese Wärme auch noch trinken konnte, und sie wie ein heißer Strom durch den Körper floß, das war die Seligkeit selbst!
    Sie schlürften, sie verbrannten sich die Lippen, sie rollten jeden Schluck des heißen Wassers oder der Kohlsuppe in der Mundhöhle herum und drängten dann wieder zu den beiden dampfenden Kesseln. Sie streckten ihre Becher hin und bettelten:
    »Noch einen Schluck, Brüderchen! Gott segne dich, Schwesterchen! Ich flehe dich an: nur ein Löffelchen voll …«
    Von der Poststation kam Postmeister Lepkejew gerannt. Seine Augen waren fast zugeschwollen, die Wunde an der Stirn war verharscht. Er hatte ein Gewehr in der einen, eine Lederpeitsche, mit der man sonst Stiere antreibt, in der anderen Hand.
    »Das

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