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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schneller, hielt die Hand fest, drehte sie kurz herum und schleuderte Tujan gegen die Kirchenwand. Er klatschte etwas, und Tujan hielt sich am Rahmen des Bildes von Nikodemus, dem Wohltäter, fest.
    Grazina fuhr erschrocken hoch; sie war völlig im Gebet versunken gewesen. »Ich bete für meinen Vater, den General Michejew«, sagte sie, die Situation nicht verstehend. »Er kämpft bei Tannenberg …«
    Tujan ordnete seine Soutane und rückte das Nikodemusbild gerade. Forschend sah er Gregor an, dann fragte er: »Wer sind Sie?«
    »Sehen Sie, das klingt schon besser«, sagte Gregor freundlich. »Mein Name ist nicht so wichtig. Ich bin gekommen, um Sie mir anzusehen. Comtesse Grazina und ich wollen heiraten, und dazu braucht man einen Priester.«
    Der Pope lächelte. »Ich weiß jetzt, wer Sie sind. Die Bauern aus Nowo Prassna haben es mir erzählt. Die Comtesse ist gekommen, der Bock Tschugarin, der jetzt Larissa das vierte Kind macht, und ein noch geilerer Kerl, der die schöne Latifa …«
    »Das ist mein Bursche Luschek!« rief Gregor fröhlich.
    »Und ein deutsches Herrchen, angeblich ein Offizier! Sieht aber aus wie ein reiches Bäuerchen. Das sind Sie, nicht wahr?«
    »Es wird viel geredet, Semjon Lukanowitsch.«
    »Sie sagen es nur mir, die Bauern, und ich betrachte es als Beichte und schließe es im Herzen ein.« Er bekreuzigte sich und faltete die Hände unter seinem langen schwarzen Bart. »Gefährlicher wird es, wenn es der Rote erfährt.«
    »Welcher Rote?«
    »Fragen Sie nicht weiter!« Tujan hob die breiten Schultern. »Auch ein Beichtgeheimnis! Der Kerl kommt her, betet und singt, opfert Kerzen und läßt sich segnen – und beichtet mir, daß er Rußland zerstören will mit einer Revolution! Die rote Fahne gegen das Kreuz – ich bin sicher, daß wir gewinnen!« Er bekreuzigte sich. »Nehmen Sie eine Einladung von mir an? Zum Essen? Es gibt Gurkengemüse. Geschmorte Gurken in saurer Sahne sind köstlich …«
    Sie blieben drei Stunden bei Semjon Lukanowitsch Tujan in dem kleinen Haus, das an die Kirche angebaut war. Als sie vom Tisch aufstanden, fanden sie nicht nur die geschmorten Gurken, sondern fanden sich auch gegenseitig recht sympathisch.
    »Trotz Ihrer Kochkunst und Ihrer körperlichen Kraft … Sie sind ein Phantast, Tujan! Es kann nie einen Kirchenstaat geben …«
    »Sibirien ist mit dem Kreuz in der Hand erobert worden!«
    »Und mit den Gewehren und Säbeln der Kosaken, dem Geld der Stroganows und dem Betrug an der Bevölkerung! Ich habe im letzten Winter einen Mann kennengelernt, über den ich viel nachdachte. Den Russen von morgen, wie er sich nannte. Den Genossen! Aber er hatte Ihnen, Semjon Lukanowitsch, eines voraus: Er verteilte keine Heiligenbildchen, sondern Kohlsuppe, Brot und Wurst an die elendesten der Elenden – an die Deportierten.«
    »Und wir werden dazu noch die Seelen speisen – das kann ein Bolschewik nie!«
    Er begleitete Gregor und Grazina bis vor sein Haus, sprach die Hoffnung aus, sie bald wiederzusehen und blickte ihnen nachdenklich nach. »Auch wenn er es glaubt«, sagte Tujan sinnend zu sich selbst, »er wird als Deutscher Rußland nie begreifen …«
    Es war merkwürdig, daß hier am Ufer des Tobol zwischen den Feldern ein Bettler saß. Er trug eine schwarze Augenklappe. Der zerlumpte Kerl starrte dem Paar entgegen, als es nach Nowo Prassna zurückritt, und streckte flehend beide Hände empor.
    Gregor zügelte sein Pferd, und Grazina, die hinter ihm geritten war, setzte sich an seine Seite. »Gib ihm zehn Kopeken, Grischa«, sagte sie. Sie beugte sich aus dem Sattel hinunter. »Wo hast du dein Auge verloren?«
    Der Bettler ließ die flehend erhobenen Hände sinken, sprang jugendlich frisch auf und lachte über sein ganzes bärtiges Gesicht.
    »Sie sind es wirklich!« rief er, ehrlich erfreut. »Die Genossen konnten mir keine genaue Beschreibung geben.« Er lachte wieder. »Zehn Kopeken wollen Sie mir schenken, Grazina Wladimirowna? Damals beim Postmeister waren Sie großzügiger. Da haben Sie zweihundert tote Seelen glücklich gemacht …«
    »Jerschow!« rief Gregor. »Iwan Iwanowitsch Jerschow!« Er glitt aus dem Sattel und streckte dem Revolutionär beide Hände entgegen. »Rußland scheint doch winzig klein zu sein. Was machen Sie in Pestrawka?«
    Jerschow zog Gregor an sich und küßte ihn auf beide Wangen, wie man einen alten guten Freund begrüßt. Grazina sprang vom Pferd, und Jerschow küßte ihr formvollendet die Hand. »Sie wissen noch meinen

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