Liebe Isländer: Roman (German Edition)
dass er nicht ein Glas irgendwo vergessen hatte, fügte er hinzu: »Aber ich war nicht betrunken.«
»Als ich den LKW-Schein machte, wurde uns allerdings beigebracht, dass man alles unter einem Bier vergessen kann«, warf der Gabelstaplerverkäufer ein, »aber das mit der Seekrankheit, das …« Er eröffnete eine lange Geschichte darüber, wie er als junger Mann auf Küstenschiffen unterwegs gewesen war, aber der Betrunkene fiel ihm ins Wort: »Du bist ein verdammt guter Geschichtenerzähler.«
»Na, das weiß ich nun nicht.«
»Doch, ich meine es ernst. Du bist ein verflucht guter Erzähler.«
»Nein, ich …«
»Was, hab ich dich beleidigt? Das ist ein Kompliment. Das sollte ein Kompliment sein.«
»Ja …«
»Ich kann es nur noch einmal sagen. Du bist ein wunderbarer Erzähler.«
»Jedenfalls, wollte ich sagen, dass …«
Der Betrunkene verlor das Interesse an der Geschichte und wandte sich den anderen zu. Die Geschichte handelte davon, dass der Gabelstaplerverkäufer auf den Küstenschiffen nicht seekrank wurde, aber als er eine Tour mit einem Forschungsschiff fuhr, kotzte er wie ein Eissturmvogel, obwohl die See ruhig war. Und was für eine Erklärung hatte der Betrunkene dafür? Obwohl er nicht zugehört hatte, gab er zu, dass das schwierig werden könnte.
Ich verabschiedete mich von den Leuten und fuhr eine halbe Stunde durch den Ort, die Heizung voll aufgedreht, um das Wageninnere aufzuwärmen, bevor ich schlafen ging. Es hatte aufgeklart, und der Wind hatte sich gelegt. Es sah nach strahlendem Wetter am nächsten Tag aus. Ich parkte den Jeep so nah wie möglich am Meer, weil mir vermittelt worden war, dass die Lufttemperatur dort höher sei, und ließ ihn laufen, während ich mich fertigmachte für die Nacht. Ich rollte den Schlafsack aus, nahm die Bettdecke aus der schwarzen Mülltüte, zog mir zwei dicke Pullover, eine Fleecejacke, zwei Paar Wollsocken an und setzte die Mütze auf den Kopf. Dann steckte ich mir das GSM-Telefon in die Tasche und das NMT-Telefon in den Schlafsack, um die Batterien einigermaßen warm zu halten, zog die Gardinen vor allen Fenstern zu und schloss die Türen. Ich stellte den Wecker. Kroch in den Schlafsack hinein, breitete die Bettdecke über mir aus und machte den Strom mit dem Hauptschalter aus. So war ich bereit zum Schlafen und versuchte so viel Wärme wie möglich zu bekommen in der Stunde, die es dauerte, bis die Temperatur im Auto die gleiche wurde wie draußen. In dieser Nacht lag sie bei minus zwölf.
Ich erwachte mit den Stimmen polnischer Fischarbeiterinnen, die am Auto vorbeigingen, und fuhr zur Tankstelle, um mich bei Kaffee aufzuwärmen und die Zeitungen zu lesen. Die nächsten Tage sollte harter Frost herrschen, das Wetter aber sollte ruhig sein. Ich hatte vor,den Tag damit zu verbringen, Stykkishólmur anzusehen, und wollte am Morgen danach weiter zum Búðardalur.
Um mich mit der Lage des Ortes vertraut zu machen, begann ich damit, über die Mole auf die Insel Súgandisey hinaufzugehen. Sie umschließt den Hafen und macht ihn somit zu einem der schönsten und am meisten geschützten Häfen des Landes. Von der Insel hat man eine gute Aussicht sowohl über die weißen Inseln im silbrigen Breiðafjörður als auch über Stykkishólmur, das ein Bad in der Sonne nimmt. Um den Hafen herum stehen Holzhäuser mit hohen Dächern, die einst von dänischen Kaufleuten errichtet und gut instand gehalten wurden. Die neue Kirche ist in Wirklichkeit vielleicht viel zu spacy für diese alten Häuser und das St. Fransiskusspítali zu groß geraten. Im Laufe der Jahre wurde es erweitert und mit dem Kindergarten verbunden. Es erinnert faszinierend an eine Burg und kommt deshalb noch einmal davon.
Mir wurde schnell wieder kalt, und ich kehrte im Egilshús ein, um noch einen Kaffee zu trinken. Es ist ein rotes Holzhaus, das am Hafen steht und alles in sich vereint: Supermarkt, Kiosk, Heimtiergeschäft, Videothek, Kaffeehaus und Kunsthandwerksladen. In der Lebensmittelabteilung waren zwei Frauen in Max-Winter-Overalls dabei, das täglich’ Brot einzukaufen, und unterhielten sich über irgendeinen »Bjarki« und »die Polnische«.
»Ja, das ist bestimmt das große Glück bei den beiden«, sagte die eine.
»Schön, wenn so was passiert. Ist nur zu hoffen, dass es hält«, antwortete die andere.
»Ja, unglaublich schön. Er soll auch so gut zu ihr sein.«
»Eben. Genau. Das scheint etwas Ernstes zu sein.«
»Das hofft man wohl.«
Soviel ich verstand, hatte Bjarki
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