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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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sich eine der ungefähr zwanzig polnischen Frauen, die in Stykkishólmur im Fisch arbeiteten, geangelt. Nach bestem Wissen der beiden Frauen war dies die erste »derartige Beziehung« im Ort.
    Ich versuchte mit der Verkäuferin zu plaudern, aber entweder hatte sie keine Lust, mit mir zu reden, oder sie war schüchtern. Auf alles, was ich fragte, antwortete sie: »Ja, das weiß ich nicht, sicherlich. Bestimmt ist es so.«
    Auf dem Felsen oberhalb der Stadt ist eine Aussichtsscheibe mit Richtungsangaben, und als ich sie studierte, um mich besser im Breiðafjörður zurechtzufinden, kam ein älterer Mann zu Fuß heran. Er war dieser ruhige, besonnene Charakter, vor dem man sofort Respekt hat und der einen dazu bringt, sich selbst zu fragen: »Warum eile ich eigentlich immer so durchs Leben?«
    Der Mann sah auf meine gelbe Ausländer-Kluft und fragte: »Auf welcher Reise bist du denn unterwegs, mein Freund?«
    Als ich es ihm erzählte, entgegnete er: »Das war eine gute Idee« und zeigte auf eine Schäre im Hafen. »Sieh mal, das ist Stykkið, das Stück Land. Danach wurde der Ort benannt. Das Wort ist natürlich von den dänischen Kaufleuten gekommen. Stykket.«
    Er zeigte auf ein Haus unten am Hang: »Das wird Kúldshús genannt. Darin hat Pastor Eiríkur Kúld gewohnt. Er war Pfarrer auf der Insel Flatey. Dann zog er nach Þingvellir, gleich hier außerhalb der Stadt, und hat das Haus von Flatey mitgenommen. Dann ist er von Þingvellir hierher in den Ort gezogen und hat das Haus wieder mitgenommen.« Er schaute mich an: »Eigenartig, oder?«
    Wir schwiegen und blickten zum Kúldshús hinüber, bis er auf ein winziges graues Wellblechhaus zeigte: »Dort bin ich aufgewachsen. Kein großes Haus, doch dort sind wir groß geworden, sieben Geschwister, und immer war ausreichend Platz. Die Zeiten haben sich geändert.« Er sah mich an, als ob ich ein Teil dieser neuen, verschwenderischen Zeiten wäre. Lächelte dann und zeigte auf eine Insel gleich außerhalb des Hafens: »Mitten während der Bauarbeiten am Gemeindehaus fehlte uns Geld, um es fertigzustellen. Da wurde der Ausweg gefunden, eine Lotterie zu veranstalten mit dieser Insel als Gewinn. Natürlich wollten alle eine Insel haben. Leute von überallher kauften die Lose, und unsere Lotterie übertraf alle Erwartungen. Aberdie Insel wurde nicht gezogen. Es war wirklich keine Schummelei dabei, glaube ich jedenfalls, und wir konnten so den Bau des Gemeindehauses abschließen.«
    Dann wünschte er mir alles Gute für die Reise und machte sich wieder auf den Weg.
    Das Norwegische Haus ist ein großes schwarz-weißes Holzhaus am Hafen und zugleich das Heimatmuseum des Ortes. Eigentlich sollte es geschlossen haben, als ich dort hinkam, aber die Museumsleiterin lud mich ein, hereinzukommen: »Es herrscht hier gerade ein ziemliches Durcheinander, wir haben gerade eine Ausstellung abgebaut.«
    Auf der untersten Etage waren leere Räume und ein Souvenirladen. Ich betrachtete den alten Holzfußboden und bewunderte, dass alles hier drinnen aussah, als wäre es ursprünglich.
    »Ja. Das ist ein schönes Haus. Es wurde in Norwegen gebaut, auseinandergenommen, jedes Stückchen markiert und dann nach Island geschickt, wo man es wieder zusammensetzte«, erzählte die Museumsleiterin, während sich ihre Stimme entfernte. Sie war in irgendeinen Trott verfallen, in den sie wahrscheinlich immer verfiel, wenn Gruppen kamen. Ich versuchte, Interesse wie eine ganze Gruppe zu zeigen, und plötzlich begann mein Körper, sich wie in einer Gruppe zu verhalten. Schlängelte sich durch leere Räume, schlüpfte zur Seite und stieß sich mit den Ellbogen voran.
    Sie bot mir an, die oberen Etagen zu sehen: »Dort ist das eigentliche Museum«, und verschwand dann im Büro.
    In diesem Haus herrschten seltsame Schwingungen. Als ich eine alte Holztreppe hochging und all die alten Ausstellungsexponate sah, bekam ich das Gefühl, die Museumsleiterin könne plötzlich tot sein. Vielleicht war ich nur schlecht gestimmt, doch die Empfindung verstärkte sich mit jeder Stufe, und ich kehrte um, bevor ich die oberste Etage erreichte.
    Sie saß im Büro vor einem Computer und konnte nicht lebendiger sein. Sie wunderte sich, mich so schnell wiederzusehen. »Hast du dieLyrikausstellung an den Wänden nicht bemerkt?« Sie machte mich auf ein Plakat aufmerksam, das an der Tür hing. »Wir haben die Leute aus dem Ort dazu gebracht, uns ihre Lieblingsgedichte zu schicken. Und dann noch ein paar von unserer Sippschaft aus

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