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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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wüsste.
    »Ja. Es waren drei Jungen, die an Óshlíð entlangfuhren und an eine kleine Lawine kamen, die die Straße verschüttet hatte. Sie hatten vor, einfach drüberzufahren, weil es nicht so schlimm aussah. Beschlossen dann aber, sich die Situation zuerst besser anzusehen, und zwei von ihnen stiegen aus dem Auto und gingen zur Lawine. Der dritte blieb im Auto zurück. Nach einer Weile, als die beiden anderen nicht zurückkamen, ging der dritte ihnen hinterher. Als er ein Stück gegangen war, kam ihm ein Schneepflug entgegen. Der Fahrer des Räumfahrzeugs hatte die anderen beiden weder getroffen noch gesehen.« Sie schwieg und trank einen Schluck Kaffee.
    »Und dann?«
    »Da war noch eine Lawine abgegangen. Das Gelände wurde abgesperrt, es wurde gesucht und gesucht. Der eine wurde dann gefunden. Der andere nie.« Sie schwieg einen Moment, sah mich nachdenklich an und fügte dann hinzu: »Das war mein Mann. Und der Sohn von der Frau, von der du gesprochen hast.«
    Ich bekam einen Riesenschreck, doch als sie sah, wie betreten ich wurde, setzte sie munter fort: »Ich kann dir noch etwas völlig Unglaubliches erzählen. Mein zweiter Mann arbeitete gleich hier kurz vor dem Ort. Einen Tag spielte das Wetter verrückt, und er kam nach derArbeit nicht nach Hause. Ich hatte eine Todesangst und war drauf und dran, die Polizei einzuschalten. Ich beschloss, noch ein Weilchen zu warten und zu sehen, ob er nicht doch noch auftauchen würde. Plötzlich klopfte es an der Tür. Als ich aufmachte, stand der Pfarrer draußen. Ich bekam so einen Schreck, dass ich ihm fast die Tür vor der Nase zuschlug. Doch schließlich war er lediglich so aufmerksam vorbeizukommen, um mir mitzuteilen, dass weiter drinnen im Fjord eine Leiche gefunden wurde, dass aber nichts darauf hinwiese, dass es die Leiche meines ersten Mannes sei, der in der Lawine umgekommen war. Zur gleichen Zeit, als der Pfarrer in der Tür stand, kam mein zweiter Mann von der Straße ab. Aber er blieb unverletzt, und es ging ihm gut. Es war aber ziemlich knapp.« Sie nippte am Kaffee und sagte dann: »Stell dir mal vor.« So wie man es manchmal sagt, wenn man daran zweifelt, dass der Zuhörer die Tragweite des Gesagten überhaupt versteht. Aber ich verstand. Für mich war diese Frau ein einziges schreiendes »Stell-dir-mal-vor«.
    »Ich vermute, dass man mehr Respekt vor der Natur hat, wenn man an so einem Ort lebt«, sagte ich in dem Versuch, etwas zum Thema beizutragen.
    Sie lächelte. »So ist es einfach. Und dann darf man auch nicht vergessen, dass wir die Wahl haben.«
    Ein dunkelhaariger Mann mit Brille betrat den Kiosk und löste die Frau ab. Die Verkäuferin zog eine Jacke an und war so schnell fort, dass ich mich nicht von ihr verabschieden konnte. Der Dunkelhaarige fragte viel nach dem Auto und der Reise. Er kannte das Paar in Ögur und erzählte mir, dass der Typ auf Garðsstaðir einer der bekanntesten Autosammler des Landes wäre. Dass er alles sammelte und mehrere hundert Autowracks besäße, am liebsten aber nichts davon verkaufen wollte und besonders verrückt nach Moskwitschs und VW-Käfern sei. Und dass er in der Gegend nicht allzu beliebt sei, weil er auf der Hofwiese einen riesengroßen Autofriedhof hätte und sich gleich in der Nähe Sommerhäuser befänden, deren Aussicht dadurch erheblich beeinträchtigt würde. Unzählige Male hatte man sich schon bei demSammler beschwert, und einmal wäre der ganze Autohaufen angezündet worden, aber er machte unbeirrt immer weiter.
    Während der Dunkelhaarige meinen Wagen betankte, betrachtete ich die Kaffeekassendose. Sie verwandelte diesen Kiosk in etwas ganz anderes und noch viel mehr. Während ich sie betrachtete, war mir, als säße ich am warmen Ofen in jeder einzelnen Küche in Súðavík.

Es fehlt nur der Deckel
     
    In Ísafjörður übernachtete ich bei Onkel Jói und seiner Frau Gulla. Sie wohnen in einem gemütlichen, dreistöckigen Haus, das mit rot angemaltem Wellblech verkleidet ist. In der Stube war eine Kuckucksuhr, Familienfotos hingen an den Wänden, und im Hof waren drei Raben bei der Fütterung. Obwohl es draußen stürmte und regnete, war der Lebensabend im Heim von Jói und Gulla ruhig und beschaulich. Er legte Patiencen und hörte
Kanal 1
im Radio. Sie werkelte in der Küche oder löste Kreuzworträtsel. Schon in dem Moment, als ich das Haus betrat, musste ich wohlig gähnen.
    »Hier ist ein Schlüssel, dort ist der Kühlschrank, fühl dich einfach wie zu Hause«, sagte Gulla, mit ihrem

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