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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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aber gern einen Kaffee. Während sie meine Tasse füllt, sagt sie leise: »Jaja, im Djúp wird kaum noch dasganze Jahr über gewohnt, nur auf ganz vereinzelten Höfen. Vor allem Einsiedler. Es wird sicherlich alles entvölkert sein innerhalb der nächsten Jahre. Ich weiß nicht, wer sich vorstellen könnte, das hier alles einmal zu übernehmen.«
    Nach einer Weile gehe ich kurz hinaus, um meinen Schlafsack zu holen und die Gelegenheit zu nutzen, dabei eine Zigarette zu rauchen. Während ich sie zu Ende rauche und in den pechschwarzen Himmel schaue, denke ich darüber nach, wie seltsam es sein muss, an so einem Ort zu leben. Zu zweit mit zweihundert Schafen. Doch je länger ich hinaus in die Dunkelheit starre, desto selbstverständlicher wird alles. Es ist einfach so. Sicherlich hört man schnell auf, es zu bemerken, und vielleicht gibt es nichts zu vermissen, außer den Kids in der Stadt natürlich. Ich vermute, dass sie des Lebens hier müde geworden ist, er aber noch nicht aufgeben mag. Die Arbeitsteilung ist klar und deutlich. Er kümmert sich um die Tiere und sie um das Heim, in dem es eintönig wurde, nachdem die Kinder der Kinderstube entwachsen waren. Jetzt warten nur noch zweihundert Schafe im Stall.
    Dort zu stehen und in die Dunkelheit zu spähen erinnert mich auf unangenehme Weise daran, wie viel Zeugs man ständig um sich herum hat. Autos, Geschäfte, Kinos, Cafés, die ganze Stadt. Man verschmilzt dauerhaft mit all dem, ohne sich dessen bewusst zu sein. Spiegelt sich in den Schaufenstern mit unerträglichen Radiomoderatoren in den Ohren und der Jahresrückblick-Show live vor Augen. Hier aber ist alles so einfach. So rein. Ich.
    Als ich wieder hineingehe, sitzt der Bauer am Küchentisch, und sie serviert den frisch gebrühten Abendkaffee. Dazu Schokoladentorte mit silberfarbenen Kugeln oben drauf. Ich setze mich wieder an den Tisch.
    »Ich habe ihm erzählt, wie teuer es gewesen ist, die Kinder in die Internatsschule zu schicken«, sagt sie und schaut den Bauern an.
    Ich schneide mir ein Stück vom Kuchen ab. »Ja, mir war einfach nicht klar, dass das so teuer ist.«
    Nach einer Weile sagt der Bauer sarkastisch: »Und da denken alle, es sei so günstig, auf dem Land zu wohnen.«
    Als ich ein Stück vom Kuchen abbeiße und kaue, bricht mir ein Seitenzahn. Ich schaue unauffällig zu dem Paar und führe meine Hand zum Mund. Sie sieht zum Boden nieder, und er beginnt die Perlen von der Torte zu schaben. Sind das Hagelkörner? Ich bekomme das Bruchstück nicht heraus, bevor der Bauer mit Nachdruck fragt: »Hast du schon mal auf dem Land gelebt?«
    Ich sehe ihn verlegen an, und dann nicke ich.
    Der Bauer fragt sofort weiter: »Wo?«
    Ich halte das Bruchstück mit der Zunge und kann gerade so antworten: »…kagafjörður.«
    Die Frau schaut etwas überrascht drein. Über das Gesicht des Bauern legt sich ein seltsamer Ausdruck, und er sieht mich durchdringend an. Dann werfen sie sich gegenseitig Blicke zu.
    Mir gelingt es, das Bruchstück zu entfernen, ohne dass sie es bemerken, und um ihre Meinung über den auf Eis festgelaufenen Bergsteiger aus Reykjavík zu verbessern, halte ich eine lange Lobrede über die wunderbaren Zeiten, die ich im Skagafjörður verbracht habe.
    Desinteressiert sieht der Bauer aus dem Fenster: »Na, jetzt regnet es. Und dazu Wind. Dann wird es heut Nacht auf dem Hang abtauen.« Dann steht er auf und geht ins Schlafzimmer.
    Genau zehn Minuten vor elf liege ich an diesem Sonnabendabend im Bett.

Die Kaffeekasse in Súðavík
     
    Als ich mich am nächsten Tag Súðavík näherte, war ich völlig überzeugt davon, einen viel größeren Sieg errungen zu haben, als das libysche Heer jemals mit einem ’81er Volvo Lappländer vermocht hätte. Das verteufelte Djúp lag hinter mir. Es war sicher, dass ich dort niemals wieder durchfahren würde, und gut zu wissen, dass ich zurück die Fagranes nehmen könnte.
    Doch nach Súðavík hineinzufahren, an diesem grauen und eher trostlosen Regentag, war ein Schlag ins Gesicht. Am Hang standen auffallend neue Häuser, die offensichtlich alle nach der verheerenden Lawine, die vor ein paar Jahren das halbe Dorf ausgelöscht hatte, gebaut worden waren. Obwohl es schmucke Fertighäuser in freundlichen Farben waren, waren sie doch so traurig anzusehen. Auf der anderen Straßenseite, den Häusern direkt gegenüber, befand sich der Friedhof. Den Weg etwas weiter ragten zerstörte Hausgiebel wie aus einer offenen Wunde heraus. Und über dem Ort thronte der

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