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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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müsste. Mir war, als spielte ich unseren Reporter Ragnarsson, als ich fragte: »Eins habe ich mir noch nie erklären können, wie macht ihr Bauern das mit dem Schafe-Auseinanderhalten?«
    Alli sah mich lange an, bevor er sagte: »Es sind keine zwei Schafe gleich. Genauso, wie keine zwei Menschen gleich sind.« Es war, als ob er Mitleid hätte, mit diesem Mann, der da an seinem Tisch saß, weil der so unverständig gegenüber der Natur war, und als ob er bei sich dachte, was ist nur aus den Leuten geworden. Dann lebte er wieder auf, trank einen Schluck Kaffee, stellte das Glas geräuschvoll auf den Tisch und fügte hinzu, dass seine Pferde von einzigartiger Gutmütigkeit seien.
    Ich hatte den Einfall, meine Ansichten zum Pferdesport darzulegen, hielt es jedoch für unwahrscheinlich, dass sich unsere Meinungen auch nur annähern würden, und ließ es dabei bewenden, zu sagen: »Ja. Ich war nie ein großer Pferdefreund. Ich fühle mich nicht wohl zwischen Tieren, die größer sind als ich.«
    Er griente, lehnte sich zurück und sah mich abschätzend an. »Das ist seltsam.«
    Das einzige Licht im Raum kam durch das trübe Fenster, und draußen waren weiße Hänge zu erkennen. Ich hatte meine Prise geschnupft und setzte also eine gedankenvolle Miene auf: »Man braucht keine Gemälde an den Wänden, wenn man so eine Aussicht hat.«
    Alli schaute aus dem Fenster und sagte halb abwesend: »Nein. Ich mag auch keine Gemälde.«
    »Nanu, wieso denn nicht?«
    »Das ist so viel Trödel«, antwortete Alli.
    Wieder Schweigen.
    Allis Wohnraum war nicht viel geräumiger als Lappi. Der Ölofen war aus und die Temperatur in der Küche nah am Gefrierpunkt. Nachdem Umherstreifen durchs Land meinte ich, ein wenig nachvollziehen zu können, unter welchen Umständen er lebte. Und als ich ihn fragte, ob er nie einsam sei, blühte er geradezu auf, es schien die Frage zu sein, auf die er gewartet hatte. »Nein. Das bin ich nie. Ich hab mich schon immer allein am wohlsten gefühlt, ich werde ganz verwirrt, wenn so viele Leute um mich herum sind.« Er trank einen Schluck Kaffee und fügte dann mit Nachdruck hinzu: »Hier habe ich alle meine Weihnachtsabende verbracht, und hier werde ich bleiben, bis ich krepiere.«
    Alma hatte mir erzählt, dass man bei Villinganes ein Kraftwerk plane und dass ich dies Alli gegenüber nicht erwähnen solle. Dann würde er höchstwahrscheinlich explodieren und mich rausschmeißen. Ich beschloss daher, das anstehende Bauvorhaben besser nicht zu erwähnen. Möglicherweise hätte daraus eine Debatte hervorgehen können, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber als ich Alli so gegenübersaß, verspürte ich kein Bedürfnis, irgendeine Auseinandersetzung zu entfachen. Die Stimmung in der Küche war nicht so unähnlich der, mit Stebbi über dem vierten Bier an der Bar zu sitzen und sich nichts zu sagen zu haben. Bestimmt war ich einer der allergeistlosesten Gäste überhaupt, denen Alli in seinem Leben jemals Kaffee anbieten musste.
    Alli hatte keine Meinung zum isländischen Ministerpräsidenten oder zum Präsidenten und sagte, die Minister seien alle gleich, bedauerte jedoch Bill Clinton wegen seiner Frauenprobleme. »Die versuchen nur, Geld von ihm zu bekommen. Es dreht sich alles um Geld.« Er erzählte, dass er ziemlich viel fernsehe und gern mit seinen Bekannten im ganzen Land telefoniere, und ab und an bekäme er außerdem Besuch. Vor ein paar Wochen hätte der Pastor bei ihm vorbeigeschaut. Dann schwieg er einen Moment, bevor er hinzufügte: »Er hält einzigartig gute Grabreden.«
    Ich gewöhnte mich unheimlich schnell daran, in der kleinen Küche zu sitzen. So war es einfach und gar nicht so außergewöhnlich anders. Auch wenn ich im Geiste wieder und wieder »Wow« und »Stell dir mal vor« und »Das ist unglaublich« sagte. Was hatte ich denn erwartet? Dass Alli ein Gewehr nehmen, durch das Küchenfenster einenRaben schießen und dann augenblicklich eine kraftvolle Ballade über das Ereignis hervorbringen würde? Dass ich eine Folge von Ómar Ragnarssons eindrucksvollen Reportagen über Land und Leute live erleben würde? Oder war ich es, dem es auf einmal so schrecklich schwerfiel, fasziniert zu sein von diesem unglaublichen Stell-dir-mal-vor-Wow-Besuch? Ich fand mich irgendwie undankbar. Vielleicht sogar verdorben, nach zu vielen Kinofilmen. Konnte ich nicht einfach reisen, genießen, erleben? Musste Alli denn erst von Anthony Hopkins gespielt werden, damit er mich beeindruckte?
    Er schob das graue Horn

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