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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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zu mir herüber: »Hier, nun nimm noch was für die Nase.«
    Während ich zwei neue Tabakhäufchen errichtete, verfolgte Alli die Prozedur noch gespannter als zuvor. Ich unterdessen versuchte mich selbst davon zu überzeugen, dass nichts originaler sein könnte als ein etwas schmuddeliger, tabakschnupfender Einsiedler. Wie er da so vor mir saß, all die Jahre eingefestigt in dem zerschlissenen isländischen Wollpullover, schien er ein vollkommenes Original seiner selbst. Und nicht nur sich selbst entsprechend, sondern sogar die eigene Entsprechung seiner selbst.
    »Wann warst du das letzte Mal in Reykjavík?«, fragte ich näselnd.
    Alli betrachtete seine Handflächen eine Weile und antwortete: »Vor siebzehn Jahren.«
    »Wie hat es dir gefallen?«
    »Ausgezeichnet.«
    Und wir schwiegen.
    Als ich kurz auf den Hof hinausging, weil ich mal musste und die Leitungen schon einige Zeit zuvor im Winter zugefroren waren, kam Alli hinter mir her und schaute auf einmal überrascht, als er durch die Tür trat. Er schien immer noch etwas Neues zu erblicken in dieser seiner kleinen Welt nach all den Jahren. »Sag mal, ich kann doch bestimmt mit dir mitfahren bis zum Tor. Ich werde die Post holen.« Auf diese Weise machte er mir klar, dass der Besuch nun zu Ende sei.
    Alli holte seine Post, aber es kam für ihn nicht in Frage, dass ichihn zurückfuhr. Bevor wir uns verabschiedeten, fragte ich ihn, ob er zu irgendeiner weisen Erkenntnis gekommen sei, denn so endeten alle Reportagen von Ómar Ragnarsson über besondere Menschen und Orte. Ob er irgendeine Lebensweisheit für mich hätte? Er zog die Nase hoch und sah mich verwundert an: »Nein, ich bin nicht auf irgendwas Großartiges gestoßen. Außer, dass es am besten ist, wenn man zufrieden ist. Ich bin mein Leben lang immer froh gewesen.«
    Im Rückspiegel sah ich ihn das Tor hinter dem Auto schließen und dann vorsichtig die spiegelglatte Zufahrtsstraße zum Hof hinuntergehen.
     
    Den Großteil der Zeit, die ich dafür vorgesehen hatte, Sauðárkrókur zu besichtigen, verbrachte ich in der Elektronikabteilung des Einkaufszentrums Skagfirðingabúð. Ging zwischen Elektrogeräten in Regalen umher, nahm sie in die Hand und befühlte sie. Ich betastete Stereoanlagen, rieb die Gummitasten von Fernbedienungen an der Wange, schnüffelte an Spannungswandlern und strich über Computerbildschirme, um das leichte Knistern von Elektrizität zu hören. Ein wohliger Schauer durchrieselte mich.
    Am CD-Ständer begegneten wir uns wieder, Geirmundur Valtýsson und ich. Egal, ob es sich um »Pop«, »Rock«, »Country«, »Underground« oder »Neuerscheinungen« handelte, in jeder Reihe war die neueste CD von Geirmundur die vorderste. Sauðárkrókur ist nun mal sein Heimatort. Von dem neonbunten Cover lächelte er den potentiellen Käufern entgegen. Als ich in Borgarnes auf dem Boden lag, lächelte er mir tröstlich zu, doch jetzt lächelte er eher entschuldigend. Fast so, als sei es ihm peinlich, mich nicht sofort zurückgehalten oder zumindest gewarnt zu haben vor der Eintönigkeit in den Tiefen der Provinz, doch jetzt, diese tausend Kilometer später, war ich es, der ihm tröstend zulächelte: »Es ist alles in Ordnung, mein Guter. Und das wird bestimmt auch so bleiben.«
    Draußen schneite und stürmte es. Obwohl die Statue des Prachtpferdes Faxi sich im Schneetreiben gut hielt, wirkte Sauðárkrókur sofortnahezu kümmerlich, sobald die Insel Drangey nicht mehr zu sehen war. Einzelne Gestalten huschten zwischen den Häusern hin und her, doch ansonsten waren die Straßen leer, und es gab nichts, was meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Nach einer Rundfahrt durch den Ort setzte ich mich ins Café Krókur und schrieb eine Karte an Stebbi. Am nächsten Tisch saß ein Paar, er fluchte über den Leiter der Handelskooperative, und sie versuchte ihn zu beruhigen.
    »Er blockt alles ab. Will alles für sich haben. Es ist offensichtlich, dass er sich die ganze Gegend unterwerfen will«, sagte er.
    Seine Frau nickte müde, umfasste dann seinen Oberarm und sagte: »Ruhig. Ist schon gut.«
    »Ist doch wahr. Das geht nicht«, sagte er.
    Dann schwiegen beide und sahen aus dem Fenster.
     
    Hallo du!
    Geirmundurs Trallala-Musik ist auf angenehme Weise nie ungewöhnlich. Der Musikant lässt alle Trends aus und legt mehr Gewicht darauf, dass die Musik funktioniert. Sie soll kein Erlebnis sein, sondern ein Werkzeug, das benutzt wird. Um die Stille auszufüllen, wenn man bei der Arbeit ist. Um die

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