Liebe Isländer: Roman (German Edition)
richtige Stimmung zu erzeugen bei Trinkgelagen und Tanzpartys. Obwohl sie gehört werden soll, wird nicht wirklich erwartet, dass ihr zugehört wird. So ähnlich verhält es sich mit dem Fernseher auf Bauernhöfen. Der Gebrauchswert, Stebbi, der ist hier letztlich entscheidend.
Die dicksten Grüße – Huldar
Öxnadalsheiði
Es ist Abend, und du fährst über die Öxnadalsheiði. In regelmäßigem Abstand schießen gelbe Wegmarkierungen aus dem Schnee hoch, ansonsten ist alles kohlrabenschwarz. Und du findest es wunderbar. Es ist kein Verkehr, das Radio ist ausgefallen, und du bist allein auf der Welt. Du bist weg. Du bist tot. Vorhin hast du den Schlafsack zusammengerollt und Skagafjörður verlassen. Heute Nacht soll es tauen, und nichts ist schlimmer als nassglatte Bergstraßen. Vor mir liegen Akureyri, Hrísey und Dalvík. Dann Húsavík, Mývatn und Ostisland.
Du bist unglaublich gelassen, und vielleicht hatte das Landleben eine derartige Wirkung auf dich. Wenn du an den Vorfall im Djúp zurückdenkst, musst du fast lachen. Was war da eigentlich los? Du bist überzeugt davon, dass du dich nicht übergeben musst, wenn du wieder in so einer Situation landest. Bezweifelst es jedenfalls stark. Immerhin ist die ständig steigende Feuchtigkeit im Auto das Einzige, was dir zurzeit Sorgen macht. Und das Gaspedal, das immer häufiger klemmt, wenn es durchgetreten ist. Natürlich auch, ob fünfzig Prozent Spikes sich irgendwann als fünfzig Prozent zu wenig Spikes erweisen werden. Und dass das Auto angefangen hat, an Kraft zu verlieren, und immer schwerer anspringt. Und ein sich beständig ausweitendes Tief irgendwo draußen auf dem Meer. Aber das ist schon alles.
Heute Abend warnte der Meteorologe vor einem drohenden Unwetter im Norden. Einer von diesen jungen Meteorologen, der mehr darauf bedacht war, einen persönlichen Rekord zu brechen, als die Vorhersage ordentlich vorzutragen. Er zog nervös eine Aufnahme des Wettersatelliten hinzu, die an den »Schrei« von Munch erinnerte, und fing sofort an abzuheben. Überzog völlig die Dramatik in dieseransonsten beliebtesten Krimiserie des Fernsehens. Das Tief erwies sich allerdings tatsächlich als ziemlich tief, und vielleicht ist es daher nachvollziehbar, dass er etwas durch den Wind war. Trotzdem ist es denkbar, dass die Angelegenheit in den Händen von Borgþór, dem Obermeteorologen, anders ausgesehen hätte. Nichts bringt die Überlegenheit des Meisters ins Wanken. Und es ist das reine Vergnügen, ihn sein Zeigestöckchen über die Karte schwenken zu sehen und wie er leicht auf die Tiefs klopft, die sich sodann umgehend und tief verschämt zusammenziehen, bis dass aller Wind aus ihnen fährt.
Die Steigungen werden steiler, und es ist, als wärst du auf dem Weg in den Himmel. Kein schlechtes Gefühl. Du bist tot, und umso besser ist es, auf dem Weg nach oben zu sein. Das Auto verliert jedoch beständig an Kraft, und du bezwingst die letzte Steigung im zweiten Gang. Kurze Zeit später passierst du vier Jeeps, die quer auf der Straße stehen, zwei auf jeder Seite. Ihre Scheinwerfer bilden eine Lichtpforte in der Dunkelheit. Während du hindurchfährst, fängt das Auto an zu stottern, und du musst in den ersten Gang runterschalten. Stirbst du etwa, Lappi? Was ist denn los?
Du tuckerst das letzte Wegstück im ersten Gang. Das Auto hustet und stottert, und du wirst immer ungeduldiger, je näher Akureyri kommt. Nach knapp zwei Stunden Fahrt erhebt sich eine Lichterpracht aus der Dunkelheit. Die Ungeduld verwandelt sich in Stress. Was ist denn nur? Was, wenn das nicht zu reparieren ist? Was, wenn Ersatzteile bestellt werden müssen? Als du den Wagen auf dem Parkplatz am Gemeindehaus der Pfingstbewegung von Akureyri abstellst, hörst du einen Knall im Sicherungskasten, und die Frontscheinwerfer beginnen zu blinken. Hinter den Fenstern des Gemeindehauses stehen vier Personen und halten ihre Handflächen über die fünfte. Du verknüpfst diesen Anblick mit der Lichtpforte auf der Bergstraße und hast das Gefühl, dich versehentlich in irgendeine Erlösung von Akureyri verwickelt zu haben.
Du träumst, dass das Problem der Luftfilter ist.
Die Akureyrer
Am nächsten Morgen sprang das Auto nicht an. Es schien so, als hätte es beschlossen, uns gerade noch über den Berg zu bugsieren, dann hatte es auf dem Parkplatz einige Male mit den Augen geblinkert und war schließlich bewusstlos geworden. Dieses Auto war ein Held. Hatte seit langem schon genug gehabt, aber
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