Liebe ist ein Kleid aus Feuer
beeindruckend. Als sei man plötzlich im Bauch der Erde angelangt.«
»Ich mag diesen Berg nicht.« Rose schaute sich beklommen um. »Und wenn er noch so viele Schätze birgt. Er hasst die Menschen, die in ihm wühlen, die ihn aufreißen und ausweiden. Alles hier kommt mir schwer und dunkel vor. In seinem Schatten leben zu müssen – was für ein Albtraum!«
»Das muss die Hütte sein, von der sie geredet hat.« Riccardis blieb stehen. »Geh du als Erste hinein! Dich kennt er ja.«
»Lando?« Rose spähte in das Dämmerlicht. »Ich bin es, Rose. Lando? Erinnerst du dich an mich? Kannst du mich hören?«
Sie glaubte Seufzen zu vernehmen, dann einen tiefen, fast schmerzhaften Atemzug, und kam langsam näher. Die Kammer war dunkel und stickig; sie hatte kein Fenster, sondern nur eine Luke, die aber geschlossen war.
»Lando?« Rose senkte ihren Kienspan tiefer. »Riccardis, schnell – ich glaube, er stirbt!«
Riccardis war sofort zur Stelle. Fühlte Landos Puls, legte ihr Ohr an seine Brust.
»Er stirbt nicht«, sagte sie, als sie sich wieder erhob. »Er atmet, wenngleich etwas unregelmäßig. Aber er sieht uns nicht, und ich bin mir nicht sicher, ob er uns hören kann. Lando scheint irgendwo anders zu sein.«
»Was meinst du damit?« Erschrocken starrte Rose auf Landos blicklose Augen, die zwar weit geöffnet waren, aber nicht der Bewegung folgten, wenn sie mit der Hand nahe vor ihnen vorbeifuhr. Ab und an schüttelte ihn ein trockener Husten, der sich anhörte, als hämmere jemand von innen gegen seine Brust. Seine Lippen, die eine weißliche Kruste bedeckte, zitterten, und er fuhr sich ständig mit der Zunge darüber, als habe er Angst zu vertrocknen.
»Unser Quellwasser«, sagte Riccardis. »Beeil dich!«
Mit fliegenden Händen befeuchtete Rose einen Lappen, und Riccardis betupfte damit sanft Landos trockenen Mund. Dann langte sie unter seinen Nacken und half ihm, etwas nach oben zu kommen.
»Setz den Krug an!«, befahl sie. »Trink!«
Es gelang Lando, ein paar Schlucke zu nehmen, dann fiel er kraftlos nach hinten.
Rose legte ihm die Hand auf die Stirn und streichelte sie sanft.
»Er fühlt sich heiß an«, sagte sie. »Es könnte eine Art Fieber sein, das ihn befallen hat, meinst du nicht? Er wird doch wieder gesund werden, Riccardis?«
»Das ist kein Fieber«, sagte Riccardis. »Jedenfalls keines, das mir bekannt wäre. Er ist doch gar nicht mehr richtig da, spürst du das nicht? Als ob ihn eine unsichtbare Wand von uns trennen würde. Es muss etwas Schreckliches geschehen sein, etwas, das ihn dazu gebracht hat, so weit wegzugehen und nicht mehr zurückzukommen.«
Plötzlich begann Lando zu sprechen.
Es klang mehr wie ein Murmeln, nach innen gerichtet, als sage er sich selber etwas vor, um sich daran zu erinnern. Die Worte konnten die beiden nicht verstehen, obwohl es stets die gleichen Silben waren, wieder und wieder, als sei er außerstande, damit aufzuhören.
»Was sollen wir nur tun?«, sagte Rose bedrückt. »Es bricht mir das Herz, ihn so elend zu sehen.«
»Als Erstes gehen wir zurück zu dieser Hütte«, sagte Riccardis, »wo vorhin die zwei Frauen waren. Dort werden wir uns endlich Klarheit verschaffen.«
Auf dem Rammelsberg hatte die Nacht viele Augen und noch mehr Ohren. Als sie zurück zur Wirtshütte kamen, war die bereits überfüllt. Alle Montani starrten die zwei Frauen an, aus dunklen, vom Gestein gezeichneten Gesichtern, die den beiden fremd vorkamen, beinahe bedrohlich.
Sepha stellte einen Napf mit heißer Suppe vor sie hin, dazu zwei Becher mit Bier. »Trinkt und esst!«, sagte sie und reichte ihnen einen halben Laib Brot. »Ihr kommt von weit und werdet eure Kräfte für den langen Rückweg noch brauchen.«
Rose und Riccardis begannen schweigsam zu löffeln, als plötzlich ein massiger Mann zu ihnen trat.
»Ich bin Willem, Sephas Mann«, sagte er, »Haupt der Knappschaft. Mir gehört diese Hütte hier. Ihr seid wegen Lando gekommen? Was wollt ihr von ihm?«
»Er ist mein Freund«, sagte Rose. »Wir machen uns große Sorgen um ihn. Was ist hier eigentlich passiert?«
»Das will ich euch berichten.«
In wenigen Worten gab er ihnen einen Abriss der Ereignisse, ließ nichts aus, weder den Streit zwischen Lando und Jon noch Jons Ende, weder Reusins tiefe Verzweiflung über dessen Tod noch das einstimmige Urteil der Knappschaft, das Lando zum lebenslangen Dienst im Bergwerk verdammt hatte. Als er beim Tag des Feuerschlagens angelangt war, wurden Roses Augen dunkel vor
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