Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Heiterkeit in sich aufsteigen.
    Unser dummes altes Spiel, dachte er, und wie besessen wir es noch immer betreiben! Jeder bemüht sich, stark zu sein, um nicht verletzt zu werden, und trifft doch stets nur sich selber. Dabei wissen wir beide, wie weh die Wunden tun, die wir uns gegenseitig schlagen. Vielleicht kann der Aufenthalt in Grone ja einen Neuanfang für uns bedeuten – gemeinsam so weit weg von der heimatlichen Burg, wo alles und jeder uns doch immer wieder nur an die unselige Vergangenheit erinnert.
    Ein Lächeln erhellte sein Gesicht, da spürte er plötzlich eine schwere Hand auf seiner Schulter.
    Raymond fuhr herum. Das Leuchten in seinen Augen erstarb.
    »Ich störe nur ungern«, sagte der Strick. »Doch die günstige Gelegenheit konnte ich nicht verstreichen lassen.«
    »Was willst du?« Raymond stand auf, fühlte sich ertappt wie ein Kind. Alle Zweifel und Ängste fielen wie ein Bleigewicht wieder auf seine Schultern. Er hatte sich nur süßen Illusionen hingegeben, das war ihm plötzlich klar. Alles war wie zuvor. Es gab kein Entkommen, keine Hoffnung auf Erlösung, nicht, solange dieser Mann immer wieder vor ihm auftauchen konnte wie ein düsterer Schatten der Vergangenheit.
    »Dir etwas zeigen – vor allen anderen. Ich denke, das bin ich dir schuldig, Raymond. Nach allem, was uns verbindet.«
    Der Graf trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Willst du wieder mit den alten Geschichten anfangen? Dann hüte dich! Ich bin heute weniger dazu in Stimmung denn je!«
    Der Strick hielt ein unscheinbares Holzkästchen in der Hand.
    »Es sieht nach nichts aus«, sagte er. »Und doch enthält es unfassbaren Wert. Ein Batzen Gold ist nichts dagegen, der kostbarste Edelstein nichtig wie Glas.«
    »Hast du etwa wieder irgendwo einen heiligen Zahn ausgegraben?«, knurrte Raymond. »Mir wirst du ihn ohnehin nicht aushändigen, das ist gewiss. Ich bin deiner Lügen und Lockungen so müde!«
    »Du liegst gar nicht einmal so weit daneben.« Der Strick grinste. »Sieh dich einmal um! Wem, glaubst du, ist dieses Gotteshaus geweiht?«
    Die Fenster der linken Seite erzählten die Lebensgeschichte Jesu, die der rechten seine Passion. Das letzte Fenster auf der linken Seite, besonders prächtig in rotem und blauem Glas, zeigte Johannes den Täufer, wie er Jesus mit Wasser begoss.
    Der Strick war Raymonds Blicken gefolgt und nickte anerkennend.
    »Ich sehe, du hast verstanden. Dann pass jetzt einmal ganz genau auf!« Er öffnete das Kästchen.
    Raymond begriff im ersten Moment, was er da vor sich hatte: die Zunge des Täufers, welch unfassbares Juwel! Unwillkürlich streckte er die Hand nach dem Kästchen aus, doch der Strick stieß im letzten Augenblick den Deckel blitzschnell zu.
    »Niemand wird sie jemals berühren«, sagte er. »Niemand außer dem König, der sich glühend nach ihr verzehrt. Sie wird diese Kirche schützen. In jenem heiligen Gefäß dort vorn am Altar soll sie ruhen bis zum Jüngsten Tag.«

    Wie betäubt war Raymond in den Abend hinausgetaumelt, kaum noch in der Lage, ein paar halbwegs vernünftige Worte mit den anderen zu wechseln. Man hatte im Freien große Spieße aufgerichtet, an denen Ferkel und Lämmer gebraten wurden, und der Duft nach frischem, geröstetem Fleisch erfüllte die Luft. Raymond ließ sich ein Stück abschneiden und trank dazu viele Becher Wein, in der Hoffnung, danach endlich wie ein Stein auf sein Lager zu fallen.
    Doch als der Schlaf ihn schließlich überkam, warf er sich unruhig umher, getrieben von dunklen Träumen. Oda erschien ihm, streckte ihre Hände nach ihm aus, als er sie aber umarmen wollte, stieß sie ihn zurück. Sie war wunderschön, wenngleich seltsam gewandet. Sie trug eine silberne Brünne, schimmernd, als sei sie aus Mondlicht geschmiedet, und war mit einem langen, schmalen Schwert gegürtet. Beim näheren Hinsehen erkannte er, dass der Griff aus Glas bestand und lauter winzige Knöchelchen barg – die Hände seiner toten Kinder.
    »Du allein bist schuld an ihrem Tod!« Ihre gellende Stimme schien sein Trommelfell zerfetzen zu wollen. »Du allein bist schuld an meinem Elend – du und deine verdammten Lügen...«
    War sie es auch, die ganz in seiner Nähe diesen eigenartigen, knatternden Ton von sich gab?
    Schweißgebadet, mit rasendem Puls, fuhr er hoch, und es dauerte eine Weile, bis er begriff, welches Geräusch ihn geweckt hatte. Pfeifender Nachtwind hatte sich erhoben und ließ die Stoffplanen am Eingang hart gegeneinander schlagen.
    Raymond wollte

Weitere Kostenlose Bücher