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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Bruder Aedgit gut, seinem Unmut Luft zu machen, auch wenn Bruder Lukas wahrlich nicht der Zuhörer war, den er sich gewünscht hätte. »Wahrscheinlich haben die frommen Schwestern von Gandersheim ihn zu uns abgeschoben, weil sie auch nicht mehr weiter wussten. Nicht einmal zum Harken ist er zu gebrauchen!«
    Bruder Lukas erntete seine Kohlrabiköpfe und legte sie akkurat nebeneinander in den Korb.
    »Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr auch mir getan«, sagte er, ohne seinen Blick zu heben. Sein Nacken war braun gebrannt und schmal wie der eines Jungen. Die Hände jedoch wirkten sehnig und kraftvoll. »Vielleicht gehört ja dieses Wort Jesu zu dem Schwierigsten, was er uns hinterlassen hat. Lando muss Schreckliches erlebt haben. Wir sollten ihm Zeit geben. Eines Tages wird er vielleicht wieder an seine Vergangenheit anknüpfen können.«
    »Für mich ist er, offen gesprochen, kaum mehr als ein Wurm. Ein Wurm allerdings mit einem stattlichen Appetit. Hast du gesehen, wie viel er auf einmal vertilgen kann? Wenn er im Winter noch bei uns ist, wird er uns die letzten Haare vom Kopf fressen.«
    »An die Winterzwiebeln mache ich mich morgen.« In die Stimme von Bruder Lukas hatte sich eine gewisse Schärfe geschlichen.
    »Du willst dich doch nicht etwa schon wieder ins Taubenhaus verziehen?« Aedgits Augen schienen fast aus ihren Höhlen zu springen. »Ausgerechnet heute, wo ich vor lauter Arbeit gar nicht weiß, wohin!«
    »Jeder von uns sollte Gott mit seinen edelsten Talenten dienen, meinst du nicht auch, Bruder?« Lukas’ Lippen begannen sich spöttisch zu kräuseln. Es war ihm deutlich anzusehen, wie schwer es ihm fiel, ernst zu bleiben. »Außerdem wird der Abt allmählich ungeduldig. Er wartet dringend auf seinen Kelch.«
    Mit leisem Summen ging er davon. Nicht nur Aedgit starrte ihm hinterher. Auch Lando ließ seinen Stab sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

    Später, als Vesper und das karge Abendessen hinter ihnen lagen, schlich Lando noch einmal in den Garten. Irgendetwas zog ihn mit Macht dorthin, und das waren gewiss nicht die Beete und Stauden, um die Bruder Aedgit so viel Aufhebens machte. Mühelos fanden seine Füße den Weg zum alten Taubenhaus.
    Die Tür war nicht verschlossen, und drinnen war er allein, was ihn freudig überraschte. Zu viele Menschen auf einmal nahmen ihm den Atem, machten, dass er sich noch verlorener fühlte. Er schaute sich nach allen Seiten um, schnupperte prüfend. Tauben hatten hier schon lange nicht mehr genistet, und doch war der scharfe Geruch ihrer Exkremente noch nicht ganz verschwunden. Lando meinte einen Moment lang, Gurren zu hören und das Schlagen vieler kleiner Flügel. Etwas rührte an sein Herz, eine Bewegung, der Klang einer hellen Stimme. Er wollte danach greifen, es packen und festhalten, um es näher zu betrachten, doch viel zu schnell war es wieder verschwunden.
    Danach war alles still – totenstill.
    Lando ging weiter, entdeckte eine gemauerte Esse, Tontöpfe mit verschiedenen Ingredienzen, die ihm nicht ganz unbekannt vorkamen, Zangen, Hämmer, Feilen, Sägen. Einen kleinen Amboss. Vor den schmalen Fenstern sah er einen großen runden Tisch mit Einbuchtungen, darunter hing ein Stück Leder, gefüllt mit grauen Spänen. In der Ecke stand eine Bank, auf der ein paar gefaltete Tücher lagen. Zuerst setzte er sich darauf, dann aber rollte er sich zusammen und war bald schon eingeschlafen, friedlich und geborgen wie ein Kind.
    Ein Zischen drang in seinen Traum.
    Vor ihm erhob sich eine Schlange. Mit hellen Halbmondflecken beiderseits des Hinterkopfes starrte sie ihn aus milchigen, runden Pupillen an. Wollte sie ihn angreifen? Ihr Körper wand sich in seltsamen Bewegungen, schien nicht damit aufhören zu wollen, sich an einem dicken Ast im Hintergrund zu reiben.
    Er wurde starr vor Angst. Ihre gespaltene Zunge kam näher und näher. Wie festgenagelt fühlte er sich, unfähig zu jeder Bewegung, genau wie damals, als die stürzenden Felsbrocken ihn unter sich begraben hatten.
    Dann jedoch begriff er. Es war kein Angriff, was er gerade zu sehen bekam. Die Schlange kümmerte sich nicht um ihn, sondern war dabei, ihre alte Haut abzustreifen.
    Aber weshalb wurde ihr Zischen immer lauter?
    Lando fuhr hoch. Sah sich um mit schreckgeweiteten Augen. Ein paar Kienspäne erhellten den Raum, doch was am meisten seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Glut in der Esse. Halb darüber gebeugt stand Bruder Lukas und pustete mit einem Blasrohr

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