Liebe ist ein Kleid aus Feuer
makellosen Zeilen, und Eila musste losprusten.
»Macht nur so weiter!«, sagte Bruder Rochus erbost. »Dann ist unser gesamter Vorrat bald aufgebraucht. Habt ihr Gänschen denn überhaupt eine Vorstellung davon, wie mühsam es ist, eine Tinte herzustellen, die nicht gleich wieder verblasst?«
»Das wollte ich nicht«, sagte Rose, die noch immer entsetzt auf ihr verdorbenes Pergament starrte. »Es tut mir Leid.«
»Mir nicht«, rief Eila. »Ich finde es sogar sehr lustig.«
»Lustig?« Rochus’ gesundes Auge funkelte wütend. »Dann zeig uns erst einmal, was du kannst, Eila!« Er deutete auf die provisorische Schultafel, die aus zusammengefügten Wachstäfelchen bestand.
»Puer« , stand da.
»Junge«, sagte Eila und errötete, weil ihr dabei unwillkürlich Lando in den Sinn kam. Rose hatte bestimmt keine solchen Gedanken. Eila jedoch wurde jedes Mal verlegen, wenn sie ihm über den Weg lief. Dabei schien er sie gar nicht zu bemerken, so beschäftig war er offenbar, die alte Schmiede wieder herzurichten. Was er da über Stunden und Stunden wohl trieb? Ob er auch an sie dachte?
Dergleichen interessierte Eila weitaus mehr als diese langweiligen Buchstaben und Wörter.
»Und das hier?«
Negare , buchstabierte sie stumm für sich, wusste aber beim besten Willen nicht mehr, was es bedeuten sollte. Eila hob die Schultern und setzte ihr schönstes Lächeln auf.
»Rose?«, sagte Bruder Rochus mit leiser Gereiztheit in der Stimme.
»Bestreiten, leugnen, verneinen«, kam die rasche Antwort. »Aber was mache ich denn nun mit meinem verdorbenen Blatt?« Sie deutete auf den dunklen See, der alles überdeckte.
»Keine Sorge! Das wird Eila für dich erledigen«, erwiderte der Mönch mit einem schmalen Lächeln. »Ich wette, es macht ihr nichts aus, auch heute den Bimsstein so fleißig wie gestern zu gebrauchen.«
Eila zog einen Flunsch. Sie dachte nicht daran, hier den halben Nachmittag vor sich hin zu schaben, während draußen die warme, sonnige Welt auf sie wartete.
»Das kann doch auch bis morgen warten, nicht wahr, Rose?«, sagte sie übermütig, wohl kalkulierend, dass morgen Sonntag war und damit unterrichtsfrei.
Ihr keckes, selbstbewusstes Lächeln erstarb, als plötzlich Oda im Raum stand. Seit der kleine Johannes neben seinen Brüdern vor der Kapelle beerdigt worden war, hatte sie die Kemenate so gut wie nie verlassen. Im gnadenlosen Sonnenlicht war ihre Blässe fast durchscheinend, und ihre Augen wirkten farbloser denn je. Sie hatte Malin ganz offensichtlich ihr Haar waschen lassen, das noch nicht ganz getrocknet war und wie ein Teppich aus schimmernden Gold- und Silberfäden über ihren Rücken fiel. Sie trug eines der neuen blauen Kleider, in denen ihre zarte Gestalt fast verschwand. In Höhe der rechten Brust war ein dunkler Fleck, der aussah, als hätte sie gerade gestillt.
Der Gedanke an Johannes ließ Eilas Augen nass werden. Nacht für Nacht träumte sie von ihm, und auch tagsüber verfolgte sie sein Bild, die blanken blauen Augen, die winzige Nase, der süße Geruch. Wie gern hätte sie ihn heranwachsen sehen! Jetzt blieb ihr nichts anderes, als an seinem Grab halblaut Zwiesprache mit ihm zu halten.
»Kann ich dir helfen, Herrin?«, fragte Bruder Rochus, der seinen Blick nicht von Oda wenden konnte. Bislang hatte er sie nur als gramgebeugte Gestalt kennen gelernt, unter Tüchern und Umhängen verborgen – und jetzt dieser Anblick!
»Nein«, sagte sie. »Es ist nur … Ich wollte bloß …« Sie tastete nach der Wand, als suche sie Halt.
»Setz dich, Mutter!«, rief Eila, die sich bei ihrem Anblick noch fleischlicher und verschwitzter fühlte als zuvor, doch Oda schien sie gar nicht zu hören.
»Es gibt da ein paar Schriftstücke, die dringend verfasst werden müssten«, sagte sie leise. »Und ich bin noch immer so müde.« Nun hob sie den Blick, sah Rochus an.
»Jetzt gleich?«, fragte der Mönch. Eila hätte wetten mögen, dass seine Hände zitterten.
»Morgen. Nach dem Nachtmahl. Ich erwarte dich.« Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und ging wieder hinaus.
»Man hätte fast glauben können, sie sei ein Engel, meinst du nicht auch, Rose?«, fragte Eila, erhielt aber keine Antwort. »Sind wir jetzt endlich fertig?«, wandte sie sich darauf an Rochus.
»Für heute, ja. Etwas Vernünftiges kommt jetzt ohnehin nicht mehr zustande. Ihr könnt gehen.«
Eila sprang sofort auf.
»Komm, Rose!«, sagte sie. » Vita nos expectat !«
»Dann muss das Leben noch einen Augenblick auf mich
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