Liebe ist kein Beinbruch
„Ich ziehe einen Arbeitshandschuh über.“
„Das ist deine Entscheidung“, erwiderte Porter. „Wir sprechen dann später darüber, wie das alles passiert ist.“
Nelson ging wieder an die Arbeit, und die anderen Männer folgten ihm. Bis auf Riley. „Sag mir Bescheid, wenn du mehr Wintergrünöl brauchst, um dein Bein einzureiben“, sagte er zu Porter. Damit tippte er an den Schirm seines Bauhelms und schlenderte davon.
Der Mann, den Nikki geschickt hatte, um ihren Arztkoffer zu holen, kam angelaufen und reichte ihr die Tasche. Nikki fuhr sich über die Augen und dankte ihm. Aber Porter merkte ihr an, dass es für sie ein Schlag ins Gesicht gewesen war, dass Nelson sich lieber von Doc Riley statt von ihr hatte behandeln lassen.
„Das ist nicht so schlimm“, sagte Porter zu Nikki. „Die Männer sind es gewohnt, dass er kleinere Verletzungen verarztet. Sweetness braucht Sie, damit Sie sich um die ernsten medizinischen Fälle kümmern.“ Er wies auf sein Gipsbein und warf ihr ein verschwörerisches Lächeln zu. „Riley hätte mein Bein nicht richten können.“
Nikki musterte ihn. Ihre Miene war undurchdringlich. „Ich widme mich dann mal den Formularen“, sagte sie schließlich. „Danke für die Führung– und für das Taschentuch.“ Sie nieste noch zweimal und putzte sich die Nase. Dann ging sie zum Geländefahrzeug, nahm den Ordner aus dem Staufach und lief zur Pension hinüber. Er dachte darüber nach, ob es eine gute Idee gewesen war, den Arbeitsvertrag mit den Formularen zusammen in die Akte zu legen. Vielleicht hätte er mit ihr darüber reden sollen.
„Ich werde Sie bringen“, rief er, doch sie winkte ab.
Porter beobachtete sie, die Anspannung in ihren Schultern, das leicht angehobene Kinn. Sie würden sie verlieren. Er musste der kleinen Frau Doktor ein paar Patienten beschaffen … und zwar schnell.
17. KAPITEL
A m nächsten Morgen stellte Nikki gerade ihre Zahnbürste ins Glas zurück und unterdrückte ein Gähnen, als es an ihrer Schlafzimmertür klopfte. Sie betrachtete die dunklen Schatten unter ihren Augen und seufzte – sie hatte in der vergangenen Nacht so gut wie nicht geschlafen, weil sie darüber nachgegrübelt hatte, dass ihr Leben völlig in der Luft hing. Mit Porter Armstrong zusammen die Überreste seines Zuhauses anzusehen hatte eine tief verborgene Sehnsucht nach einem Familienleben, wie er es beschrieben hatte, in ihr geweckt. Sie war so fasziniert gewesen, dass sie ihn beinahe geküsst hätte. Und dieses Mal freiwillig und bewusst. Glücklicherweise hatte das Schicksal in Form eines Telefonanrufs eingegriffen, ehe sie etwas tat, das weitere Verwicklungen für ihren Geist und ihren Körper mit sich gebracht hätte. Sie hatte die Nacht über wach gelegen und zugesehen, wie der Mond untergegangen und der Tag heraufgezogen war, bevor sie sich am Morgen aus dem Bett gequält hatte. Und die Allergie, die ihr gerade zu schaffen machte, war auch nicht geeignet, sich wieder besser zu fühlen. Wenn sie nicht eine eiskalte Dusche genommen hätte, hätte sie die Augen wahrscheinlich noch immer nicht öffnen können.
Sie wusch sich das Gesicht und putzte sich die Nase. Dann machte sie die Tür auf. Davor stand Susan Sosa, eine der Frauen, die in ihrem Van mitgefahren waren. Susan war eine hübsche, rundliche Frau mit kurzen blauschwarzen Locken. Obwohl sie erst dreißig war, sah sie älter aus. Nikki wusste von den Gesprächen während der Fahrt nach Sweetness, dass sich Susans Familienleben bis zum College genauso abgespielt hatte wie bei ihr. Doch während Nikki sich in ihr Studium gestürzt und es in weniger als der Grundstudienzeit beendet hatte, hatte Susan einen anderen Weg eingeschlagen. Sie hatte sich nach der Highschool einen Job in einer Fabrikgesucht. Die letzten zwölf Jahre hatte sie an einem Fließband bei einem Automobilhersteller zugebracht, bevor sie im vergangenen Jahr entlassen worden war. Sie war so beseelt davon gewesen, nach Sweetness zu ziehen und einen Mann mit Südstaatenmanieren kennenzulernen, dass sie während der ganzen Fahrt über nichts anderes gesprochen hatte.
Nikki wurde klar, dass die Frauen gerade von ihr die Solidarität erwarteten, in Sweetness zu bleiben. Und wenn sie wegging, würde sie die Träume derjenigen zerstören, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hatten, um hierher zu ziehen.
„Hi, Susan. Was gibt’s?“
Susan biss sich auf die Unterlippe. „Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, Dr. Salinger, aber in Ihrer Ambulanz
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