Liebe ist kein Beinbruch
Porter wollte sie plötzlich küssen, dieses Mal voller Absicht und nicht unter dem Einfluss bewusstseinsverändernder Medikamente. Er näherte seine Lippen ihrem Mund, und da er ihr beim ersten Mal keine Wahl gelassen hatte, zögerte er, um zu sehen, ob sie sich wehren wollte. Ihr Atem streichelte über seine Lippen. Mit halb geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund sah die kleine Frau Doktor unglaublich sexy aus. Überrascht stellte er fest, wie sexy . Blut schoss in seine Lenden.
Das Klingeln seines Handys zerstörte den Augenblick. Nikki zuckte zurück und machte einen Schritt von ihm weg. Porter unterdrückte ein enttäuschtes Aufstöhnen. Er zog sein Handy hervor und sah, dass es der Vorarbeiter auf der Baustelle des Ambulanzgebäudes war, der anrief. Er nahm das Gespräch an. „Hallo?“
„Porter, hier gab es einen Unfall. Nelson hat sich die Hand ziemlich böse aufgeschnitten.“
Porter presste die Kiefer aufeinander. „Einen Moment.“ Er sah zu Nikki, die ein paar Meter von ihm entfernt stand. „Einer der Arbeiter hat sich die Hand aufgeschnitten.“
„Binden Sie es mit irgendetwas ab, um die Blutung zu stillen“, sagte sie, sofort ganz Ärztin. „Und sagen Sie ihm, dass er die Hand über Herzhöhe halten soll.“
Porter gab die Anweisungen weiter. „Dr. Salinger und ich sind in ein paar Minuten da.“ Er beendete das Gespräch und ging zum Geländefahrzeug, wo Nikki bereits ihren Helm aufsetzte. Ihm wurde klar, wie gut es war, sie in einem Notfall an der Seite zu haben. Kendall hatte recht: Wenn sie ging, würden die restlichen Frauen wahrscheinlich ebenfalls scharenweise verschwinden.
Sie half ihm auf den Sitz. Ihre Bewegungen waren eilig, und keiner von ihnen brachte den Beinahekuss zur Sprache. Porter war dankbar für die Unterbrechung – er hatte einen Moment lang den Kopf verloren. Das Letzte, was er brauchte, war eine Frau, die sich nur über eine frühere Enttäuschung hinwegtrösten wollte.
Während der Rückfahrt schimpfte er innerlich mit sich selbst. An dem sehnsüchtigen Ausdruck in ihren Augen, als er von seiner Familie erzählt hatte, konnte er erkennen, dass sie nur am gesamten Paket interessiert war. Und obwohl er sich später auch niederlassen und eine Familie haben wollte, wollte er doch vorher ein bisschen Spaß haben. Rückblickend betrachtet hätte er mit Rachel Hutchins zum Shopping nach Atlanta fahren und die kleine Frau Doktor die Formulare für die Aufnahme in den Verband der Landarztpraxen bearbeiten lassen sollen.
Hinter ihm fühlte sich Nikkis Körper steif und spröde an. Vermutlich überlegte sie, was sie auf der Baustelle des Ambulanzgebäudes erwarten mochte. Und sie nieste einige Male – das frisch gemähte Gras und die berüchtigten Pollen aus Georgiamachten ihr zu schaffen. Er fuhr so schnell, wie es gerade noch vertretbar war, ohne sich und andere zu gefährden. Einige Minuten später rollten sie auf die befestigte Straße, die um die Baustelle des Ambulanzgebäudes herumführte. Eine Gruppe von Arbeitern stand um den verletzten Nelson Diggs herum.
Porters Magen zog sich zusammen, als er bemerkte, dass Doc Riley sich bereits um den Mann kümmerte.
Das verhieß nichts Gutes.
Als er das Quad anhielt, sprang Nikki sofort herunter und riss sich den Helm vom Kopf. Sie wies einen der Arbeiter an, ihren Arztkoffer zu holen, und ging zu Nelson. Porter kletterte mühsam von seinem Gefährt, schnappte sich die Krücken und versuchte Nikki einzuholen.
Aber als er die Gruppe erreichte, waren die Fronten bereits abgesteckt. Nelson beachtete sie nicht, hielt stattdessen die Hand an seine Brust gedrückt und ließ sich von Doc Riley behandeln, der die Wunde anscheinend abgebunden hatte mit … Porter traute seinen Augen nicht.
Mit silbergrauem Klebeband?
„Klebeband?“, fragte Nikki. Ihr war anzusehen, dass sie es nicht glauben konnte. „Haben Sie die Wunde vorher wenigstens gereinigt?“
„Ich habe Honig auf die Wunde gestrichen, ehe ich sie verbunden habe“, erklärte Riley, ebenfalls voller Abwehr.
Porter zuckte zusammen.
„ Honig?“ , wiederholte Nikki fassungslos. „Dieser Mann muss vielleicht genäht werden. Die Nerven könnten beschädigt sein.“ Doch die Tatsache, dass sie in dem Moment ein paarmal hintereinander niesen musste, schwächte ihre Position. Porter reichte ihr sein Taschentuch.
„So tief war der Schnitt nicht“, winkte Riley ab. „Es hat nur stark geblutet.“
„Ich kann weiterarbeiten“, meldete Nelson sich zu Wort.
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