Liebe ist keine Katastrophe
Armstrong stand als Trauzeuge an seiner Seite. Emory war dankbar, dass er nach dem Tornado seinen besten Kumpel bei sich gehabt hatte, und auch jetzt freute er sich über seine Anwesenheit. Das Haus der Armstrongs war ebenfalls vernichtet worden, aber Porter sah das ganz pragmatisch, denn er war vor allem froh, dass er und seine Mutter überlebt hatten. Die Armstrongs waren widerstandsfähige Gebirgsbewohner, die einiges aushielten – wie fast alle Leute in Sweetness. Porter sah ihn von der Seite an und hielt beide Daumen hoch – als Zeichen seiner Zustimmung. Ein Witzbold wie eh und je … und ein sehr guter Freund.
Soweit Emory es beurteilen konnte, war der größte Teil der Stadtbevölkerung zu ihrer Hochzeit hierhergekommen. Für die meisten war es auch ein Abschiedsfest. Viele hatten ihre Fahrzeuge schon mit den Habseligkeiten vollgepackt, die sie aus ihren zerstörten Häusern hatten retten können, und würden anschließend Sweetness für immer verlassen. Das ganze Areal war zum staatlichen Katastrophengebiet erklärt worden. Es gab keine Häuser, keine Arbeit und keine Infrastruktur mehr und die Möglichkeit von Hilfslieferungen war begrenzt durch die ungewöhnliche geografische Lage der Stadt. Daher hatten die Anwohner und der Gemeinderat die schwere Entscheidung getroffen, die Stadt ganz zu verlassen.
„Wer übergibt diese Frau an ihren künftigen Ehemann?„
Walter Moon trat vor. Er schaute sie beide an, dann verkündete er: „Ich will es tun.“ Er gab Shelby einen Kuss, dann schüttelte er Emory die Hand.
Emory würdigte diese Geste mit einem ernsten Nicken. Walter Moon war als Letzter aus dem Keller des Lebensmittelladens entkommen, und mit seinen ersten Worten an Emory hatte er ihm den Segen gegeben, seine Tochter zu heiraten. Er sagte, er habe gehört, worüber Emory gesprochen hatte, während er sie ausgrub, und Shelby werde bei ihm in guten Händen sein.
„Willst du, Emory, Shelby zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen, sie vom heutigen Tage an lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?„
„Ich will„, antwortete er feierlich und war sich so sicher wie nie zuvor in seinem Leben. Er trug seine Uniform, die von ein paar hilfsbereiten Damen, die auch etwas zu der Zeremonie beitragen wollten, gereinigt und so gut wie möglich gebügelt worden war. Shelby hatte einen Strauß Wildblumen in der Hand, die irgendjemand in letzter Minute für sie gepflückt hatte.
„Willst du, Shelby, Emory zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn vom heutigen Tage an lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?„
„Ich will„, antwortete sie strahlend vor Glück.
„Bitte sprecht mir nach„, sagte der Geistliche. Sie sprachen ihre Ehegelübde, begleitet von Vogelgezwitscher als Hintergrundmusik. Die Natur würde sich wie immer zuerst erholen.
„Habt ihr die Ringe?„
Der Verlobungsring war glücklicherweise sicher in seiner Jackentasche im Geländewagen geblieben. Aber sie hatten keine Zeit gehabt, Eheringe zu kaufen, und abgesehen davon gab es auch kein Geschäft mehr, wo sie sie hätten kaufen können. Die Ladenfront des Juweliers der Stadt war ebenso verwüstet wie alles andere. Die Ringe würden warten müssen. Emory öffnete den Mund, um zu verneinen.
„Ja, das junge Paar hat Ringe„, verkündete der Bürgermeister und hielt ein kleines Kästchen hoch. Er trat aus der Menschenmenge hervor und stellte sich vor Emory. „Wir wissen, dass du es warst, der die Sirenen angeworfen hat, Emory. Die Menschen in dieser Stadt möchten dir ihre Dankbarkeit zeigen und euch diese Trauringe schenken.„ Er öffnete das Etui, in dem zwei glänzende goldene Ringe steckten.
Emory schluckte gerührt. Er hatte keine Ahnung, wo der Mann die Ringe aufgetrieben hatte, aber er war ihm sehr dankbar. „Ich danke Ihnen, Bürgermeister„, sagte er und wandte sich dann an die Menschenmenge. „Ich danke euch allen. Egal, wohin Shelby und ich auch gehen, wir werden immer dieses kleine Stückchen Sweetness bei uns haben.„
Der Geistliche sprach die Worte für den Ringwechsel, Emory steckte den Ring an Shelbys Finger und erhielt seinen von ihr. Er war erfüllt von seiner Liebe zu dieser Frau. Aber auch dieser Ort würde immer ein Teil von ihnen sein.
„Emory, du darfst die Braut jetzt küssen.„
Das musste man ihm nicht zwei Mal sagen. Er zog Shelby in die Arme und legte seine Lippen zu einem langen, süßen Kuss auf ihre. Sein Körper prickelte bei ihrer Berührung und dem
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