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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus den Stapeln von Bildern heraus, verschnürte sie mit Bindfäden und blieb dann unschlüssig an der Tür stehen.
    »Ist noch etwas?« fragte Madame.
    »Ich kann mich darauf verlassen, daß Ev …«
    »Hinaus!« Madame Coco zeigte auf die Tür. »Jede weitere Frage ist eine Beleidigung.«
    Dann war sie allein mit Ev, betrachtete sie stumm, mit gefalteten Händen, und dachte an ihre Tochter, die irgendwo im weiten Amerika verschollen war. Es war möglich, daß sie noch lebte, vielleicht nicht einmal schlecht lebte, aber sie erinnerte sich ihrer Mutter nicht mehr. Kann ein Kind die Mutter vergessen? Kann man vergessen, daß man hier auf der Rue Princesse gespielt hat, den Ball gegen die Hauswand warf und wieder auffing, und bei jedem Aufprall staubte es und schwebte eine Wolke glitzernden Staubs durch die Sonne, die Straße entlang. Wölkchen auf Wölkchen, immer wenn der Ball gegen die Wand prallte. Kann man das vergessen …
    »Sie war so jung wie du –«, sagte Madame leise. »Sie hatte schwarze Haare, so glänzend, als würde ich sie ihr jeden Morgen mit Wichse einreiben und blank bürsten. Sie war das schönste Kind in ganz Saint-Germain-des-Prés. Glaub es mir. Ich habe die Tapete von der Wand gekratzt, als sie plötzlich auf und davon war. Mit einem breitschultrigen amerikanischen Soldaten, haben mir die Nachbarn erzählt. Ich war nicht hier … ich stand in der Schlange vor Monsieur Abondis Laden, seit fünf Uhr früh. Es sollte Maismehl und pro Person eine geräucherte Makrele geben … Sie hat nichts hinterlassen außer zehn Packungen Chesterfield. Ich habe sie zerstampft, zu Krümeln zerstampft.« Sie holte Atem, stand auf, ging leise zum Bett und deckte Ev zu. Dann blieb sie stehen, sah erst jetzt, daß das Kleid über der Brust aufgerissen war und deutete es ganz richtig als Folge eines Kampfes um Leben und Tod. Pierre war kein Bursche, der aus anderen Gründen jungen Mädchen die Kleider zerreißt.
    »Du hast doch eine Mutter –«, sagte sie fast streng. »Und wenn nicht mehr … kein Mensch ist so völlig allein, wenn er will, daß Menschen ihn verstehen. Sich vom Arc stürzen! Weil man ein Kind bekommt! Wenn das jede machen würde … dann könnte man die Mädchen auf dem Pflaster aufsammeln wie geplatzte Kastanien …«
    Sie ging leise zur Tür, schob sich auf den Flur und drückte die Tür ebenso leise ins Schloß. Unten setzte sie sich an den Küchentisch, ließ ihre Wohnung offen, was einen direkten Blick zur Treppe und zur Haustür bot, und faltete die Zeitung auseinander, um die Fortsetzung des Romanes zu lesen.
    Es gab keine Wanze, die ungesehen an Madame vorbeikam.
    *
    Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon bei Madame Coco. Es war Marius Callac, der in seinem kleinen Büro saß und zunächst erregt schnaufte, ehe er ein Wort herausbekam.
    »Denken Sie zweimal, ehe Sie sprechen!« sagte Madame sofort. »Ich wußte, daß Sie anrufen, Marius.«
    »Bei aller alten Freundschaft, Cosima – was haben Sie mir da ins Haus geschickt.« Marius Callac war noch aus der Generation, die wußte, daß Coco einmal vernünftig Cosima geheißen hatte. Er war auch einer der wenigen, die sich noch erinnern konnten, daß Cosima Lebrun lange, zu Zöpfen geflochtene schwarze Haare getragen hatte und ein schlankes Mädchen war, hinter der die Männer her waren wie in Prag die Hundefänger hinter den Hunden. Das war 1913 … eine ferne, ferne Welt mit Pferdebahnen und Reiherhüten, tuckernden, bizarren Autos und dem verlogenen Charme eines angeblich immerwährenden Friedens.
    »Der Junge heiße Pierre de Sangries.«
    »Ich weiß, ich weiß!« Callac schnaufte wieder. »Nur Ihre Empfehlung, Cosima, hinderte mich daran, ihn das vierte Mal vor die Tür zu setzen. Haut mir da drei fürchterliche Bauernköpfe auf die Theke! Köpfe! Bauern! Gemalt, als habe er die Pinsel in den After gesteckt! Pardon. Ich bin ehrlich empört, Cosima! Ist das ein Scherz?«
    »Kaufen Sie die Bilder, Callac –«, sagte Madame Coco.
    »Ich müßte mich im nächsten Spiegel anspucken, wenn ich das täte!«
    »Bieten Sie Pierre für jedes Bild hundert Francs.«
    »Cosima! Bei aller alten unerwiderten Liebe: Ich bin kein Trottel!«
    »Dreihundert Francs, Marius. Ich lasse Ihnen morgen das Geld auf Ihr Konto überweisen.«
    »Verrückt. Verzeihen Sie, Cosima, aber warum geben Sie dem Stümper die dreihundert nicht selbst?«
    »Er soll das Gefühl haben, etwas verkauft zu haben.«
    »Bei mir? Damit er es überall erzählt: Ich habe bei

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