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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht.« Er hob die Schultern. Sie schüttelte den Kopf und schob den Teller zur Seite auf die Matratze. »Wo haben Sie Ihre Kleider?« fragte er plötzlich. Sie zuckte zusammen, und ihre schönen Lippen wurden wieder schmal und herb.
    »Ich werde mir neue kaufen«, sagte sie nach einer Weile.
    »Haben Sie denn Geld?«
    »Ich werde etwas verdienen.«
    »Wo haben Sie bisher gewohnt, Ev? Man kann die Kleider und alles, was Sie bisher besaßen, doch herausholen.«
    »Ich gehe nicht mehr in das Haus zurück. Nie mehr!« Sie sagte es hastig und atmete dabei schneller.
    »Dieser … dieser Mann?« fragte Pierre und begann, den Mann zu hassen, ohne ihn zu kennen.
    »Auch.«
    »Sie haben mit ihm zusammengelebt?«
    »Nein.«
    »Sie wollen es mir nicht erzählen?«
    »Wozu? Es ist vorbei.«
    »Ihre Eltern in Deutschland. Sie haben doch noch Eltern?«
    »Sie dürfen das nie erfahren.«
    »Sind sie so unmodern und spießerisch?«
    »Im Gegenteil. Sie sind sehr tolerant.« Sie rutschte an der Wand hoch und schlug die Decke um ihre angezogenen Knie. »Es ist etwas anderes, Pierre. Ich habe gesagt: Ich werde allein fertig! Ich boxe mich durch. Habt keine Sorge, ich schaffe es aus eigener Kraft! Ich habe es nicht geschafft, und was ist von der Kraft geblieben? Ich bin kein Mensch, der auf das Mitleid anderer hofft.«
    »Das klingt alt wie hunderttausend Jahre.«
    »Manchmal ist man alt wie hunderttausend Jahre.«
    »Madame backt für uns ein Huhn –«, sagte Pierre. »Ich glaube, sie rechnet damit, daß Sie hier bleiben.«
    Sie lächelte ein wenig traurig und ließ den Blick durch den Raum kreisen. Pierre verstand sie und stellte den Teller mit der Pâté auf den Fußboden. »Ich werde vieles umändern«, sagte er. »Natürlich ein zweites Bett. Zwei kleine Sessel … na, sagen wir, Klappstühle. Ein Tisch. Wenn Sie wert auf einen Teppich legen – ich male ihn Ihnen auf die Dielen.« Er folgte der Linie ihres Blickes und hob die Schultern. »Die Wände. Mit diesen Wänden habe ich schon viel Spaß gehabt. Links haben Sie den ganzen Roman ›Erinnerung an einen Sommer‹ von Daniel Fleurion an der Wand. Nur die siebzehnte Fortsetzung fehlt, diese Zeitung wurde vielleicht zum Ofenanzünden vernichtet. Rechts neben dem Fenster ist die Politik. Das Jahr 1963. Es hat sich nichts geändert. Die gleichen Worte, die gleichen Lügen, die gleichen Versprechungen, die gleichen Beschimpfungen. Nur die Politiker haben gewechselt. Über Ihrem Bett sehen Sie den Wirtschaftsteil. Die Aktienkurse. Manchmal bin ich so geil, mich davorzusetzen und in Gedanken mit Aktien zu spekulieren. Kaufe für 50.000 Dollar Kupfer, verkaufe für 23.000 Dollar Zellulose. Das war ein Geschäft! Sehen Sie ganz links. Kupfer ist in vier Wochen um neun Punkte angezogen! Da habe ich sofort verkauft …« Pierre zeigte hinüber zu der Wasserleitung. »Dort hängt die Kultur. Eine Kritik über ein Buch von Vernon. ›Mit diesem Roman hat sich Vernon in die Weltelite der Autoren geschrieben‹. Steht da. Neun Monate später lag der Roman im Ramsch in den Kaufhäusern. Weltruhm ist etwas Merkwürdiges, Ev. Überhaupt die ganze Kunstkritik. Ich bin nie dahintergekommen, was Kunst ist. Warum ist Picasso ein Genie, wenn er links unten ein Auge, rechts oben einen Arm und in der Mitte ineinander verschlungene Dreiecke und Kreise malt? Und warum ist einer ein Stümper, wenn er ein Kornfeld malt, in das man sich hineinlegen und träumen möchte?«
    Er schwieg. Warum sage ich das alles, dachte er. Interessiert es sie überhaupt? Sie hat den Schock überwunden, gleich wird sie aufstehen und sagen: Pierre, ich danke Ihnen für alles. Aber jetzt muß ich gehen … Und keiner hat ein Recht, sie aufzuhalten.
    »Ich könnte mich hier wohl fühlen –«, sagte sie plötzlich.
    Pierre legte die Hände auf den Rücken. Es war so verdammt dumm, daß sie zitterten und man das nicht unterdrücken konnte.
    »Was haben Sie gesagt, Ev?«
    »Ich werde den Roman links an der Wand ganz durchlesen –«
    »Ev –« Er wollte nach ihren Händen greifen, aber sie versteckte sie sofort unter der Bettdecke.
    »Das nicht, Pierre!«
    »Ich wollte Ihnen nur danken, Ev. Sie bringen mir Glück. Ich habe heute bei Callac …«
    Sie schob sich aus dem Bett, reckte sich und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Ich habe mir überlegt, daß ich vielleicht Deutschunterricht geben könnte …«
    »Hier? In Saint-Germain-des-Prés?«
    »Ich werde eine Annonce aufgeben. Oder in einer Boutique arbeiten. In

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