Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
eine Stimme, die perlend lachen kann …
    Er lehnte sich glücklich an das Treppengeländer und wartete weiter. Geh jetzt nicht hinauf, dachte er. Jetzt nicht. Wenn sie dich sieht, stirbt dieses Lachen wieder. Du kommst von Jules, du mußt ihr sagen, daß er die Hunde auf dich gehetzt hat, wenn sie dich anblickt, ist die Erinnerung wieder da an ihre leere Welt. Pierre, geh jetzt nicht hinauf. Gönn ihr die wenigen Minuten des Lachens –
    Jetzt sprach François Delmare, das ›Gebetbuch‹, Theologiestudent mit dem revolutionären Gedanken, alle Kirchen abzuschaffen und nur Hausgottesdienste per Fernsehen zuzulassen. An Personalkosten würde man dann – das hatte er ausgerechnet – allein in Frankreich über 2 Milliarden Francs einsparen.
    Wieder lachte Ev. Das ›Gebetbuch‹ erzählte einen zweideutigen Witz. Er war damit vollgestopft wie eine Blutwurst, Pierre kannte keinen, der einen solchen Vorrat an schweinischen Witzen hatte wie dieser Theologe. Vielleicht brauchte die dauernde Beschäftigung mit dem Überirdischen einen handfesten irdischen Ausgleich. Der ›Rote Henry‹ hatte angekündigt, darüber einen gelehrten Essay zu schreiben, den ebenfalls keiner lesen würde.
    Einer fehlt, dachte Pierre und wartete. Ponpon, der Einäugige. Wie er richtig hieß, wußte keiner, und er hatte es auch nie verraten. Man hatte alles versucht, hinter seine Anonymität zu kommen, man hatte ihn unter Alkohol gesetzt bis nahe an die Grenze der Vergiftung … Ponpon hatte geschwiegen. Vielleicht hieß er wirklich nur Ponpon, es gibt genug absurde Dinge auf der Welt. Auch wo er sein linkes Auge verloren hatte, blieb ein Geheimnis. Der ›Rote Henry‹ behauptete, Ponpon habe es sich selbst vor Begeisterung ausgebissen, als ihm der totale Verdreher gelang. Ponpon arbeitete als Schlangenmensch im Varieté. Der Mensch ohne Knochen.
    Da war er, die meckernde, krächzende Stimme! »Hei – hop!« rief er. Und das ›Gebetbuch‹ deklamierte: »Achtung! Jetzt beißt er sich gleich in den Arsch!«
    Ponpons obligatorische Vorstellung, seine Visitenkarte: Wie leckt man sich selbst –
    Pierre sah die Zeit gekommen, nun doch hinaufzugehen, auf die Gefahr hin, daß Evs herrliches, perlendes Lachen ersticken würde.
    Er hetzte die Treppen hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, und platzte in sein Atelier, als Ponpon gerade, in einer fürchterlichen, aber faszinierenden Verrenkung, auf dem Boden eine anatomisch nicht mehr erkennbare Figur bildete. Die anderen klatschten Beifall, und der ›Rote Henry‹ sagte mit seinem tiefen Baß: »Wenn ihm jetzt ein Wind abgeht, gibt es einen glatten Kopfschuß.«
    Und Ev lachte, lachte … saß auf dem Bett, einen spanischen Schal von Madame Coco um die Schulter und die verbundene Brust geknotet, hielt ein Glas Pinot noir in der Hand (von Ponpon, der immer Geld hatte?) und sah hinreißend aus.
    Sie blickte zur Tür und lachte weiter. Aber es war nur ihr Mund, der lachte, nur ihre Kehle, die diese Laute von Freude freigab … ihre Augen lachten nicht und fragten.
    »Da ist er, der Glückspilz!« schrie das ›Gebetbuch‹. Seine riesige, dürre Gestalt hockte, wie zusammengeklappt, auf dem Hocker vor der Staffelei. Jemand hatte die schöne sonnige Landschaft weggenommen und durch ein anderes Bild ersetzt. Monky, nackt und ungeheuer sexy auf einem Stuhl hockend, die Hände in ihre bis zu den Hüften fließenden Haare gewühlt.
    Pierre schämte sich plötzlich, ging zur Staffelei, sah den ›Roten Henry‹ böse an und drehte das Bild um. Es war Henrys Lieblingsbild, nachdem er von Monky eine Ohrfeige bekommen hatte, als er ihr einen Antrag gemacht hatte.
    Ponpon entwirrte seine Glieder. Er hatte ein hochrotes Gesicht, und sein einziges Auge blinzelte. Er hatte Ev gerade seine schwierigste Figur gezeigt, bei der sonst im Varieté ein Trommelwirbel aufklang.
    »Wir haben uns schon bekannt gemacht«, sagte der ›Rote Henry‹. »Mademoiselle ist von meiner ›Ode an das Blau eines Boxerauges‹ begeistert. Endlich ein Weib mit natürlichem Kunstempfinden!«
    »Und sie versteht das Problem der Umstellung der Katechetik in einen medienpolitischen Verband«, sagte das ›Gebetbuch‹. »Wir werden nachher über den Eros von der Kanzel diskutieren …«
    »Hinaus!« sagte Pierre ruhig. Er packte Ponpon am Kragen und stellte ihn auf die Füße. »Hinaus!«
    »Er ist unser bester Freund, Mademoiselle!« dröhnte der ›Rote Henry‹. Sein Baß füllte das Zimmer wie mit Orgelklang. »Darum nehmen wir

Weitere Kostenlose Bücher