Liebe ist staerker als Haß
verletzt«, rief Zared. »Ich hole Hilfe.«
»Nein!« wiederholte er.
Inzwischen hatte sich eine Menschenmenge um sie versammelt. Alle starrten mit offenem Mund den Mann an, der eben brutal von einem Pferd zusammengetreten worden war und jetzt trotzdem aufstand, als wäre nichts geschehen.
»Du mußt ...«
»Was muß ich?« fragte er bitterböse.
»Nichts«, versetzte er ärgerlich. »Du hast keine Hilfe nötig. Wärst du verletzt, würdest du Himmel und Hölle um Hilfe anrufen. Ich muß mich jetzt um meinen Bruder kümmern.«
Sie wandte sich ab und überließ es ihm, ob er ihr folgen wollte oder nicht. Sie ärgerte sich, daß ihr nach dem Vorfall die Knie noch zitterten. Der Howard hatte sie mit seinem Körper so vollständig abgeschirmt, daß sie das Pferd überhaupt nicht gesehen hatte. Dafür hatte sie deutlich gespürt, wie das Tier ihn wieder und wieder mit den Hufen getreten hatte.
Und doch hatte er sie geschützt. Warum? Was wollte dieser Howard von ihr?
Sie warf einen Blick über die Schulter zurück, um zu sehen, ob er ihr folgte. Ja, er kam, wenn auch auf steifen Beinen. Er behauptete, unverletzt zu sein.
Aber wie war das möglich? Sollte sie nicht doch zu ihm gehen und verlangen, daß sie nach seinen Wunden schauen durfte?
Was? Sie, eine Peregrine, sollte einem Howard ihre Hilfe anbieten? Nun, immerhin hatte er sie gerettet. Doch warum hatte er das getan? Warum hatte er verhindert, daß das Pferd sie überrannte? Dann hätte es doch eine Peregrine weniger auf der Welt gegeben.
Dahinter mußte eine Absicht stehen. Es mußte einen Grund geben, warum er ihr das Leben gerettet hatte. Er hatte doch davon gesprochen, daß er sie heiraten wolle, um die beiden Familien zu versöhnen. Wenn nun Dokumente gefunden worden waren, die bewiesen, daß die von den Howards besetzten Gebiete tatsächlich rechtmäßiger Besitz der Peregrines waren! Vielleicht hatte Oliver Howard diese Papiere entdeckt und daraufhin seinen jüngeren Bruder ausgesandt, damit er um das einzige weibliche Familienmitglied der Peregrines freite? Das würde erklären, warum diesem Mann so viel daran lag, ihr Leben zu retten. Wenn die einzige weibliche Peregrine tot war, konnte es keine Versöhnung zwischen den Familien geben, und Sobald man die Papiere bei Oliver Howard fand, würde er alles verlieren, was er durch Blutvergießen an sich gebracht hatte.
Auf einmal hörten ihre Knie auf zu zittern. Nun ergab das alles einen Sinn für sie. Der Howard wollte, daß sie am Leben und unversehrt blieb, um sie zur Frau nehmen zu können. Das war der Grund, warum er ihr die Handschuhe gekauft hatte! Damit hatte er sich bei ihr einschmeicheln wollen.
Das wird aber nichts, dachte sie. Er kann tun, was er will, mich wird er dadurch nicht erringen. Und wenn er verletzt wurde, dann nur, weil er aus Eigennutz gehandelt hat.
Sie reckte die Schultern und strebte eilig dem Turnierplatz zu. Jetzt machte es ihr nichts mehr aus, daß ein Howard sie beschützt hatte.
7
Tearle schaffte es, aufrecht und erhobenen Hauptes zum Turnierplatz zurückzugehen. Was ist das nur für eine Frau? dachte er. Da hatte er eben sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie vor Schaden zu bewahren, und sie erkannte seine Tat nicht einmal an.
Unterwegs machte er einen kurzen Abstecher zum Zelt, um die Handschuhe hinzubringen. Dann begab er sich zum Platz.
Man legte Severn gerade die Rüstung für die Kämpfe an. Er war schlechter Laune. Offenbar war während des Essens etwas vorgefallen, was ihn so verstimmt hatte. Er beschimpfte Zared, weil sie zu spät gekommen war. Danach traf er den ersten Mann, der gegen ihn antreten mußte, so heftig mit seiner Lanze, daß dieser kopfüber in den Sand flog. Die Zuschauer spendeten lauten Beifall. Doch Severns Laune besserte sich nicht.
Tearle trat beiseite und beobachtete, wie Zared hin und her rannte, um frische Lanzen zu holen und alles zu Severns Zufriedenheit zu erledigen. Nur einmal richtete sie das Wort an ihn, und dafür wies er sie scharf zurecht.
Danach zischte sie Tearle an: »Du denkst wohl, du könntest mir imponieren, Howard? Meinst du, ich würde dich heiraten, so daß unsere Familien eins würden? Das hättest du wohl gern: die Ländereien behalten, die unserer Familie gehören, wie?«
Tearle ließ die Vorwürfe über sich ergehen. In seiner ganzen rechten Körperhälfte litt er bohrende Schmerzen, die er ihr verdankte, weil er ihren unentwickelten kleinen Körper gerettet hatte, und sie redete von Ländereien und
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