Liebe ist staerker als Haß
sie. »Ich würde gern sehen, daß du die Handschuhe einmal trägst.«
Eigentlich, dachte sie, müßte ich ihm ins Gesicht spucken. Aber sie tat nichts dergleichen. Sah er nicht viel besser aus als bei ihrer ersten Begegnung? Oder bildete sie sich das nur ein? Sie konnte sich entsinnen, daß er damals kleine Knopfaugen gehabt hatte. Aber, dachte sie, in Wirklichkeit hat er doch ganz hübsche Augen.
Leise sagte sie: »Ich möchte ... sie lieber nicht haben. Und ... Severn braucht mich jetzt sicherlich.«
»Ja«, sagte er, und seine Hand glitt von ihrer Wange zur Schulter. Dann zog er sie zurück. »Hier, ich werde die Handschuhe an mich nehmen. Es wäre zu viel Mühe für dich, sie an deinem Körper zu verstecken, und man würde noch deutlicher sehen, was du so angestrengt zu verbergen trachtest.«
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daß er auf ihren Busen anspielte. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und sie senkte den Kopf, damit er es nicht merkte. Aber als er ihr die Handschuhe wieder weggenommen hatte, gewahrte sie ein Lächeln an ihm, das aufs neue ihren Zorn erregte.
»Laß mich vorbei, Howard!« zischte sie.
»Sehr wohl, Mylady«, sagte er mit gedämpfter Stimme und verbeugte sich artig, als sie sich an ihm vorbeischob.
Auf dem Rückweg zum Turnierplatz ging Zared vor Tearle einher. In den wenigen Stunden ihrer Abwesenheit war in ihr etwas vorgegangen, aus dem sie nicht klug wurde. Als sie zusammen aufgebrochen waren, hätte sie dem Mann noch ein Messer in den Leib jagen können, und jetzt hatte er für sie schon fast menschliche Züge angenommen. Er hatte sich überaus nett verhalten, als er sie die Waren der Händler betrachten ließ. Alles hatte er ihr erklärt und sich nicht ein einziges Mal über ihre Unwissenheit verärgert oder ungeduldig gezeigt.
Er ist wirklich ganz anders als meine Brüder, dachte sie. Severn und Rogan waren ständig unduldsam ihr gegenüber. So wie früher die älteren Brüder. Sie ärgerten sich schon, wenn sie einmal von einer bestimmten Stelle aus den Sonnenuntergang betrachten wollte. Einmal hatte sie sich einen Kranz aus Blumen geflochten und auf den Kopf gesetzt. Da hatten sie sie verspottet. Wenn sie bei irgend etwas zu langsam war, brachten sie nicht die geringste Geduld auf. Sie hatten für nichts anderes Zeit als für Krieg und Kriegsausbildung.
Seit Liana zur Familie gehörte, war das Leben etwas angenehmer geworden. Dennoch waren Severn und Rogan viel zu selten für sie da. Rogan verbrachte die meiste Zeit mit seiner Frau und Severn mit seiner Geliebten. Zared blieb fast immer allein.
Unterwegs stellte sie Tearle eine Frage, wobei sie sich umdrehte und rückwärts vor ihm herging. »Haben die Frauen in Frankreich auch solche Handschuhe getragen? Hast du dort erfahren, wie man den Duft erzeugt?«
»Englische Frauen tragen sie auch. Ich möchte annehmen, daß Lady Anne ein, zwei Paare duftender Handschuhe besitzt.«
»Das weiß ich nicht. Ich habe sie jedenfalls noch nicht entdeckt.« Sie betrachtete ihn jetzt nicht als Feind, sondern als Mann. Nein, weibisch wirkte er nicht. Aber woher wußte er so gut über Frauenkleider Bescheid? Meine Brüder, dachte sie, haben nicht die geringste Ahnung von Frauenkleidern. Aber eigentlich sollten Männer sich doch darauf verstehen -oder? »Hast du die ganze Zeit in Frankreich mit den Frauen verbracht? Kennst du dich deshalb so gut mit den Vorzügen der Frauen aus, und weißt du nichts über männliche Tugenden?«
»Ich weiß auch über männliche Tugenden Bescheid«, sagte er etwas verärgert. Er fühlte sich in die Verteidigung gedrängt. Es war, als müsse er ihr gegenüber ständig seine Männlichkeit beweisen.
Es war alles sehr verwirrend für sie. Sie erinnerte sich an Lianas Ausspruch, daß zu einem Mann mehr gehöre als seine kämpferischen Fähigkeiten. Aber hatte Liana damit so einen Mann gemeint? Dieser Mann verstand etwas von Frauenhandschuhen und fiel bei der kleinsten Verwundung in Ohnmacht. Gab es zwei Arten von Männern? Auf der einen Seite Männer wie diesen Howard?
»Warum siehst du mich so komisch an?« fragte er. Dabei war er jedoch froh, daß sie ihn überhaupt ansah.
Nachdenklich sagte sie: »Du siehst wie ein Mann aus, bist aber keiner.«
Er war verblüfft. »Kein Mann?«
»Nein. Denn du kämpfst nicht, wie die anderen es tun. Du fällst bei der kleinsten Verwundung in Ohnmacht. Du bist großgewachsen. Ich bin viel kleiner, und doch habe ich mit dir gekämpft und dich
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